Coface-Chefökonom Yves Zlotowski. (Foto: Coface)
Paris / Lausanne – Die Weltwirtschaft erholt sich langsam. Weniger kraftvoll als vor der Krise 2008 legt ihr Wachstum leicht zu: voraussichtlich um 3,1 Prozent 2015 nach 2,8 Prozent 2014 und 2,7 Prozent 2013. Sowohl für die Industrienationen als auch die Emerging Markets wird eine leichte Verbesserung erwartet, für die entwickelten Länder von 1,7 im Vorjahr auf 2,1 Prozent 2015, für die aufstrebenden Länder von 4,2 auf 4,3 Prozent Wachstum.
Industrieländer: Erholung ja, aber aufgrund begrenzter Investitionen nur schwach in Europa
Coface ist vorsichtig optimistisch in der Einschätzung von Risiken in den entwickelten Ländern. In den USA basiert ein starkes Wachstum (2,9 Prozent 2015) auf einer robusten Inlandsnachfrage und dem Wiedererstarken der Industrie. So sind zum Beispiel die Automobilhersteller zu 90 Prozent ausgelastet. Unternehmen profitieren an mehreren Stellen von geringeren Produktionskosten. So sinken die Energiekosten durch den Ausbau der Schiefergasförderung und niedrige Ölpreise. Aber auch die Löhne steigen nur moderat. Lediglich die Stahlbranche ist in Nordamerika in der Risikokategorie „hoch“. Dagegen sind Chemie, Textil, Transport und Automobil in der besten Coface-Risikostufe „moderat“.
In Europa entspannt sich die wirtschaftliche Lage indessen langsamer, aber doch auch erkennbar. In der Eurozone dürfte das Wachstum in diesem Jahr 1,2 Prozent betragen nach 0,8 Prozent 2014 und minus 0,4 Prozent 2013. Nach den jüngsten Heraufstufungen von Spanien, Deutschland und Österreich in der Länderbewertung verkündet Coface eine weitere Verbesserung: Portugal wird in der Stufe B mit positivem Ausblick versehen. Das Land macht sich allmählich vom Rettungsprogramm frei und erwartet 1,2 Prozent Wachstum in diesem Jahr. Die finanzielle Situation der Unternehmen verbessert sich schrittweise: Die Gewinne erholen sich und die Insolvenzen gehen zurück.
In Frankreich und auch in Italien erkennen wir Verbesserungen in der Finanzkraft der Unternehmen. So erwartet Coface für die französischen Unternehmen dank des Regierungsprogramms “Pakt der Verantwortung” und des niedrigen Ölpreises bis Ende 2015 einen Anstieg der Gewinnspanne auf 31,1 Prozent. Das wäre wieder das Niveau von 2009. Allerdings dürften die Unternehmen bei Investitionsentscheidungen vorsichtig bleiben, nicht zuletzt wegen der aktuellen Lowflation mit schwachem Wachstum und niedriger Inflation sowie den politischen Risiken in der Eurozone. Zu letzteren zählt die Frage, ob die Regierungen Reformen auf den Weg bringen und umsetzen können, sowie die steigende Popularität von Europa-feindlichen Parteien.
Grund für die Lowflation in Europa ist die Zurückhaltung bei den Ausgaben. Wegen der grossen öffentlichen und privaten Schuldenlast fliesst ein grosser Teil der Erträge in die Tilgung. Dabei vergrössert die negative Inflation, die durch die geringe Nachfrage entsteht, den realen Schuldenwert. In der Konsequenz hält so der Schuldenabbau den Deflationsdruck aufrecht, der wiederum den weiteren Schuldenabbau erschwert. In diesem Zusammenhang ist die offensive Politik der EZB wichtig, um sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Haushalten Vertrauen zu schaffen, indem sie einer Deflationskrise entgegenwirkt. Sie wird aber nicht ausreichen, um die Investitionsbereitschaft in der Realwirtschaft signifikant zu fördern.
“Nach der Staatsschuldenkrise erlebt Europa nun ein entgegengesetztes Risiko: die Konservierung hoher Schuldenstände, die die Erholung gefährden und deflationären Druck erzeugen. Wachstum wird zudem durch geopolitische Ereignisse mit unklarem Ausgang behindert, vor allem durch den Russland-Ukraine-Konflikt. Solche Krisen wirken negativ auf die Stimmung der wirtschaftlichen Akteure. Schliesslich beeinträchtigt die Rückkehr des politischen Risikos direkt in Europa die Zuversicht. So werden die in 2015 anstehenden Wahlen zu wichtigen Tests“, erklärt Yves Zlotowski, Chefvolkswirt der Coface.
Aufstrebende Länder: Rückkehr der „traditionellen“ Probleme, aber einige erfreuliche Ausnahmen
Während ihr Wachstum alles in allem stark bleibt, haben viele aufstrebende Länder mit der Rückkehr altbekannter Probleme zu kämpfen: Abfluss von Kapital und wiederkehrende Schwankungen der Wechselkurse. Seit 2009 sind sechs Währungen angeschlagen: die von Brasilien, Indien, Indonesien, der Türkei, Südafrika und Russland. Die Kombination aus einer Verlangsamung der wirtschaftlichen Entwicklung, steigender privater Verschuldung und wiederholten Abwertungen veranlasste Coface dazu, einige Länderbewertungen nach unten zu korrigieren. Zu den jüngsten Abstufungen gehören die der Türkei in B bei einer Wachstumsprognose von 3,5 Prozent 2015 und die Russlands in C bei einem erwarteten Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3 Prozent 2015. Dabei ist zu beachten, dass trotz der Tatsache, dass Unternehmensrisiken steigen, systemischen Krisen in den Emerging Markets nicht mehr die Regel sind. Die Banken sind stärker und die öffentlichen Finanzen solider. Keines der grösseren Schwellenländer musste den IWF um Hilfe bitten. Zwei lateinamerikanische Länder waren allerdings 2014 von gravierenden Liquiditätsproblemen betroffen: Venezuela und Argentinien. In beiden Fällen sprang letztlich China als „Liquiditätsretter“ ein.
Dagegen hoben sich einige Länder mit einer positiven Entwicklung ab. Vietnam, dessen Länderbewertung in C nun auf die positive Watchlist gesetzt wurde, hat es trotz eines schwierigen Geschäftsumfelds geschafft, seine Währung zu stabilisieren, die Qualität der Produkte zu steigern – das zeigt sich etwa im Export elektronischer Produkte – und ausländische Investitionen anzuziehen, vor allem aus Korea. Auch die Länderbewertung Sri Lankas hat Coface angehoben: von C auf B. Seit dem Ende des Bürgerkrieges 2009 wächst die Wirtschaft kräftig und stabil und das Haushaltsdefizit wurde reduziert.
China erstmals auf “Negative Watch” seit 2010
Coface sieht die chinesischen Unternehmen in einer Gefahrenzone und hat daher die Länderbewertung von China in der Stufe A3 unter Beobachtung für eine Herabstufung genommen.
Aktuell stehen die Unternehmen in China vor mehreren Herausforderungen. So hat sich das verlangsamte Wachstum verfestigt, Coface erwartet für 2015 noch 7 Prozent. Mehrere Branchen haben weiterhin Überkapazitäten, darunter die Stahlproduktion und der Bau. Vor allem aber hat die Verschuldung ein Besorgnis erregendes Niveau erreicht. Die Schulden des Privatsektors schätzt Coface auf 200 Prozent des BIP, zumal die Bankkredite schneller wachsen als das BIP. Hinzu kommt die Finanzierung über Schattenbanken, die nicht transparent sind und bisweilen mit Wucherzinsen arbeiten. Die Phase erhöhter Risiken ist unausweichlich und kennzeichnend für eine „Normalisierung“ des chinesischen Wachstums. Die erklärte Absicht der Behörden, stärker auf Konsum als auf Investitionen zu setzen und so den Überkapazitäten zu begegnen, bedeutet auch, dass die Unternehmen ihre enormen Schulden nicht länger systematisch refinanzieren können. So erwarten wir 2015 Zahlungsprobleme für chinesische Unternehmen in einem Kontext, der kurzfristig nicht so lebhaft, mittelfristig aber nachhaltiger ist. (Coface/mc/ps)
Annexe
The Coface Country risk assessment measures the average risk of non-payment by companies in a country in the context of their short term commercial transactions. Sovereign debt is not included in this. In forming the assessment, Coface brings together the economic, political and financial outlooks for the country, Coface’s payment experience and the business environment of the country. The country risk and business environment assessments are based on a scale with 7 levels: A1, A2, A3, A4, B, C, and D and can be combined with watch categories.