Pleitewelle von Thomas Cook erfasst jetzt auch Deutschland
Oberursel – Die Pleitewelle von Thomas Cook erfasst jetzt auch Deutschland und Österreich. Die dortigen Töchter meldeten Insolvenz an. Dies hat indirekt Auswirkungen auf die Schweiz.
Weil jetzt der Veranstalter Thomas Cook Deutschland insolvent ist, können Schweizer Konsumenten ihre Ansprüche mittels ihres Sicherungsscheins über die Kundengeldabsicherung der Zürich Versicherung mit Sitz in Frankfurt geltend machen. Diese deckt Ausfälle in Gesamthöhe von bis zu 110 Millionen Euro. Ob das reicht, ist offen.
«Panik ist nicht angesagt», sagte ein Zurich-Sprecher. Die Reisenden müssten sich jetzt nicht hektisch um Rückflüge kümmern. Es könne aber sein, dass Kunden etwas früher zurückfliegen müssten.
Wie viele Schweizer Reisende mit Thomas Cook gestrandet sind, ist nicht klar. Schweizer Reisebüros, die eine Pauschalreise von Thomas Cook oder Neckermann verkauft hätten, stünden als Vermittler der Reise nicht in der Haftung, schrieb der Schweizer Reise-Verband am Vortag an seine Mitglieder.
Zurich übernimmt Kosten für Rückreise
Der deutsche Reiseverband DRV betonte, betroffene Pauschalreisende könnten «ihren Urlaub regulär zu Ende bringen und plangemäss nach Hause fliegen». «Jetzt, wo Thomas Cook Deutschland Insolvenz angemeldet hat, springt der Insolvenzversicherer Zurich ein», sagte DRV-Präsident Jörg Fiebig. Das Unternehmen habe angekündigt, die Kosten sowohl für die Hotels auch für die Rückflüge zu übernehmen. Hotels hätten daher keinen Grund, Pauschalreisende aus Angst vor Zahlungsschwierigkeiten des Reiseveranstalters zur Kasse zu bitten.
Zurich sichert nach eigenen Angaben «im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen die Übernahme der Kosten für die Beherbergung der Reisenden im Zielgebiet. Entsprechendes gilt auch für die Rückreise.» Die Absicherung gilt für gebuchte Pauschalreisen von Öger Tours, Neckermann, Bucher Reisen, Thomas Cook Signature und Air Marin.
Mit Thomas Cook Deutschland sind nach Angaben von Geschäftsführerin Stefanie Berk noch etwa 120’000 Urlauber unterwegs. Das deutsche Aussenministerium erwartet keinen Massenandrang von im Ausland festsitzenden Urlaubern aus Deutschland.
Sanierung angestrebt
Thomas Cook Deutschland strebt mit der Insolvenz eine Sanierung an. Es soll verhindert werden, dass das Unternehmen Teil der Insolvenzmasse des britischen Mutterkonzerns wird. «Ziel einer Sanierung ist es, das profitable, aber schon länger durch das schwache Geschäft von Thomas Cook in Grossbritannien und den Brexit belastete Geschäft des deutschen Veranstalters selbstständig fortzuführen», hiess es. «Wir glauben an die Sanierungsfähigkeit der Company», sagte Berk.
Nach dem Ferienflieger Condor hat auch die Thomas Cook GmbH hat einen Überbrückungskredit beim Bund beantragt. Dabei soll es sich um 375 Millionen Euro handeln, wie die Nachrichtenagentur DPA am Mittwoch aus Koalitionskreisen erfuhr. Die Prüfung laufe.
Die Thomas Cook Deutschland hatte den Verkauf von neuen Reisen am Montag gestoppt. Urlauber, die bereits gebucht hatten, können seit Wochenbeginn nicht starten. Reisen sind zunächst bis diesen Donnerstag abgesagt.
Auch der österreichische Ableger von Thomas Cook stellte am Mittwoch einen Insolvenzantrag. «Jeglicher Verkauf von Reisen aus dem Portfolio der Thomas-Cook-Veranstalter ist gestoppt», teilte die Thomas Cook Austria AG in Wien mit.
Condor mit Rückenwind von 380 Millionen
Weiterfliegen kann dagegen die deutsche Fluggesellschaft Condor, die ebenfalls Thomas Cook gehört. Der deutsche Staat hatte am Vortag einen Kredit über 380 Millionen Euro zugesagt, weil die Airline als profitabel und lebensfähig gilt.
Bei Condor reagierten die 4’900 Mitarbeiter, Kunden und Partner nach Worten von Geschäftsführer Christoph Debus mit riesiger Erleichterung. Dank des Brückenkredits normalisierten sich die Buchungszahlen. Condor beantragte beim Amtsgericht Frankfurt ein Schutzschirmverfahren, um zu verhindern, dass die britische Thomas Cook Zugriff auf das Geld des Unternehmens bekommt.
Manager-Boni in der Kritik
Nach der Insolvenz des britischen Reisekonzerns Thomas Cook will die Regierung in London prüfen lassen, ob Manager des Unternehmens ihre Millionen-Boni zurückzahlen müssen. Ein entsprechendes Schreiben sei bereits an die Insolvenzverwalter gegangen, sagte der britische Verkehrsminister Grant Shapps am Mittwoch im Parlament.
Zum genauen Wert der Boni und Vergünstigungen kursierten am Dienstag unterschiedliche Zahlen. Nach Angaben der britischen Nachrichtenagentur PA hatten die Führungskräfte bei Thomas Cook in den vergangenen zehn Jahren Zahlungen von knapp 50 Millionen Pfund (61 Millionen Franken) erhalten.
Der «Guardian» sprach von Auszahlungen von mehr als 35 Millionen Pfund in den letzten zwölf Jahren. Die Top-Manager des Reiseunternehmens hätten seit 2014 Gehalts- und Bonuszahlungen im Wert von insgesamt 20 Millionen Pfund erhalten, berichtete die BBC unter Berufung auf Zahlen des Unternehmens. (awp/mc/pg)