Corona lässt weltweit Auslandsinvestitionen einbrechen
Zürich – Die COVID-19 Pandemie, die Abwahl von Donald Trump und der Brexit haben bei den ausländischen Direktinvestitionen (FDI) tiefe Spuren hinterlassen. Wie hoch die Verunsicherung ist, zeigt der neue Vertrauensindex für Direktinvestitionen der globalen Unternehmensberatung Kearney. Das Ergebnis: Viele Anleger gehen auf Nummer sicher, kehren China den Rücken (minus 4 Plätze) und setzen auf sichere (Investment)-Häfen wie die USA, Kanada und Deutschland. Im Ranking kommt die Schweiz in die Top 10.
Pandemie, Handelskonflikte, Datennationalismus – internationale Anleger zeigen sich verunsichert und rechnen mit einer langsamen Erholung der Investitionsströme. Der FDI Vertrauensindex 2021 der globalen Unternehmensberatung Kearney, der auf einer Befragung von Führungskräften in weltweiten Top-Unternehmen im Jänner und Februar beruht, zeigt ein Jahr nach Pandemiebeginn die starke Verunsicherung. «Nur 57 Prozent geben sich optimistisch, was die globale Weltwirtschaft und die Investitionsaussichten in den nächsten drei Jahren betrifft. Vor und zu Beginn der Pandemie 2020 lag dieser Wert noch bei 72 Prozent», so Dr. Martin Eisenhut, Partner und Managing Director Deutschland, Österreich, Schweiz von Kearney.
Industrieländer werden bevorzugt
Fast alle Länder verzeichneten einen massiven Rückgang an Auslandsinvestitionen. Der Löwenanteil der getätigten Investitionen geht an die Industrieländer. An der Spitze liegen weiterhin die USA, Kanada und Deutschland. Weniger Kopfzerbrechen bereitet den Anlegern dagegen der Brexit. Grossbritannien gewinnt wieder an Attraktivität (Platz 4 / +2). Plätze gut machten auch das von der Pandemie besonders stark betroffene Italien (Platz 8 / + 1) und Spanien (Platz 9, + 2). Als eines der wenigen Länder verzeichnete Spanien sogar einen Anstieg der Mittelzuflüsse. «Zum einen bieten etablierte Märkte den Führungskräften mehr Sicherheit und Stabilität. Zum anderen bevorzugen Investoren Länder mit guter Infrastruktur, starker Governance, technologischer Innovationsfähigkeit sowie makroökonomischer Stabilität – alles natürliche Stärken der Industriestaaten», ergänzt Eisenhut.
Schwache Schwellenländer
Das erklärt auch das schlechte Abschneiden der Schwellenländer im Index, haben es doch nur China, die Vereinigten Arabischen Emirate und Brasilien in das Ranking geschafft. In der Vergangenheit belegte China dabei immer Spitzenplätze. Die Angst vor einer Eskalation des Handelskonfliktes zwischen den USA und China, sowie ein allgemeines Umdenken bei der Gestaltung internationaler Lieferketten erklären den Abstieg Chinas um vier Plätze auf Rang 12. Ausserdem befürchten Anleger in Schwellenländern auch eine ungleichmässige Verteilung bei den Impfstoffen, was die Attraktivität sowohl aus logistischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen zusätzlich verringert.
Schweiz punktet als Technologie- und Forschungsstandort
Die Pandemie sorgte in der Schweiz für den stärksten Konjunktureinbruch seit 45 Jahren. Der Einbruch war aber weniger stark als in vielen anderen europäischen Ländern. Die Auslandsinvestitionen gingen von -22 Milliarden auf -88 Milliarden US-Dollar massiv zurück. Teilweise dafür verantwortlich waren laut UNCTAD Veräusserungen von grossen Aktienpaketen. Bevorzugt investiert wurde hingegen vor allem in Pharma, Technologie und Produktion. So kaufte der Pharmakonzern Retrophin das Schweizer Unternehmen Orphan Technologies für 90 Millionen US-Dollar.
Im Ranking belegt die Alpenrepublik wie im Vorjahr den 10. Platz. Investoren schätzen die Schweiz weiterhin als Technologie- und Forschungsstandort und für ihre ausgezeichnete Infrastruktur und Governance. Für Erleichterung sorgte die Ablehnung der Begrenzungsinitiative. Diese hätte die Personenfreizügigkeit mit der EU gefährdet. Im Blickfeld ist auch die Währungspolitik. Die Schweizer Notenbank stemmte sich massiv gegen die Aufwertung des Franken. Für die Intervention am Devisenmarkt brandmarkte das US-Finanzministerium die Schweiz als «Währungsmanipulator» und kritisierte den unfairen Wettbewerb. Daher steht die Schweiz hier weiter unter Beobachtung.
Angst vor Datennationalismus
Für 65 Prozent der befragten Unternehmen hängen bis zur 30 Prozent der Umsätze von der Datenverarbeitung ab. Diese wachsende Abhängigkeit hat auch Auswirkungen auf ausländische Investitionsentscheidungen. Immer stärker greifen Staaten in die Datenverarbeitung ein.
So hat die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schon zahlreiche Nachahmer gefunden. Neue Datenschutzgesetze sollen demnächst in Thailand in Kraft treten, in Brasilien im August und im US-Bundesstaat Kalifornien im Jahr 2023. Aber es sind nicht nur Datenschutzgesetze und steigende Regulierungskosten, die Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Immer mehr Länder schränken auch den «freien Datenfluss» mittels Cybersicherheitsgesetze ein. «Ausländische Investoren fürchten einen zunehmenden Datennationalismus. Die Pandemie hat den Trend verstärkt, dass viele Länder auf technologische Souveränität setzen. Schon 71 Prozent der Investoren fürchten politische Eingriffe, die auch ihr Unternehmen treffen», erklärt Eisenhut.
Pandemie ist grösstes Risiko
«Abgesehen von diesen Erkenntnissen, besteht das grösste Risiko für die internationalen Investoren weiterhin in der Pandemie selbst», so Eisenhut. «Die Überwindung von COVID-19 wird der Schlüssel zur Erholung der Weltwirtschaft und zur Verbesserung der ausländischen Direktinvestitionen sein. Das Wirtschaftswachstum wird zum grossen Teil von der Dauer der globalen Pandemie, der Wirksamkeit der Konjunkturmassnahmen und dem Erfolg der Impfkampagnen bestimmt werden.» Eisenhut: «Trotz anhaltender makroökonomischer Herausforderungen sehen Investoren ausländische Direktinvestitionen in den nächsten drei Jahren weiterhin als entscheidend für die Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen an. Und selbst mit der zunehmenden Vorsicht der Anleger in diesem Jahr wird der Einbruch der ausländischen Direktinvestitionen im Jahr 2020 wahrscheinlich kein fester Bestandteil der Weltwirtschaft werden.» (Kearney/mc/pg)