Der aus zwölf Sternen bestehende Kreis auf der Flagge der EU soll Einheit symbolisieren, ein Zustand, von dem die grossen Bündnisse weiter entfernt scheinen denn je.
von Gérard Al-Fil
Droht dem Westen ein zweites Suez-Fiasko wie 1956? Damals griffen die drei Staaten Grossbritannien Frankreich und Israel das arabische Land Ägypten an, nachdem Staatschef Dschamal Abdel Nasser den Suez-Kanal verstaatlichte. Das Unternehmen endete in einem Fiasko. Nicht nur ging Nasser aus der Krise gestärkt hervor, auch besiegelte der gescheiterte Feldzug das Ende der Kolonial-Partnerschaft, der Enteinte Cordiale zwischen Paris und London.
Transatatlantische Götterdämmerung?
Heute, im Kampf um das wertvolle, weil schwefelarme libyische Öl blüht dem Nordatlantik-Bündnis ein ähnliches Schicksal. Frankreich wirft London zu wenig Engagement im Libyen-Krieg vor. Deutschland hält sich ganz aus der Affäre heraus.
So macht der scheidende US-Verteidigungsminister Robert Gates aus seinem Herzen keine Mördergrube. Die NATO sei gespalten, sie müsse aufpassen nicht in die Irrelevanz abzugleiten. Gates trifft nicht nur den Nerv des Zustands im Nordatlantikbündnis. Er rüttelt an einem Tabu. Denn Einigkeit zu demonstrieren war die Daseinsberechtigung der NATO. Zwanzig Jahre nahdem sie mit dem bankrott gegangenen Warschauer Pakt ihren Hauptgegenspieler verlor, schwelgt das Bündnis von einer Identitätskrise in die nächste.
Missklänge kommen in Mode
In Paris und Berlin macht man bislang gute Miene zum bösen Spiel. Doch in Wahrheit hat sich das «alte Europa» von den Alleingängen der Bush-Administration nie wirklich erholt. Apropos Deutschland. Die Lokomotive der EU brummt – trotz Hellas-Krise, Lehman-Nachwehen und rekordhohen Erdölpreisen. Die sinkende Arbeitslogiskeit und der boomende Export „Made in Germany“ wirken wie eine Botschaft: «Wir können auch ohne Brüssel.» Schon sehnt eine Mehrheit der Deutschen die alte D-Mark zurück.
Was nicht wundert: Innerhalb der EU regieren Besitzstandswahrung, Ränkespielchen und Misstrauen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble will die Banken zur Rettung von CCC-Griechenland einspannen. Luxemburgs Premier und EU-Gruppenchef Jean-Claude Juncker sträubt sich dagegen, ist sein Kleinstaat als führender Fonds-Standort auch Anwalt der Geldhäuser. Wie erleichtert müssen sich die Schweiz (die von Brüssel zum Beitritt bedrängt wird, aber nicht will) und die Türkei (die zwar will, aber als muslimisches Land wenig willkommen ist) auf die Schultern klopfen, dass sie der Union bis dato nicht beigetreten sind.
Showdown bei OPEC und IWF
Von der Kakophonie ergriffen sind auch OPEC und IWF. Das Erdölkartell konnte sich unlängst nicht auf eine höhere Förderquote einigen, weil der Iran hinter der saudischen Initiative amerikanischen Druck vermutete, um den Preis pro Fass zu senken. Beim IWF gerät das Duell zwischen Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde und Mexikos Zentralbankchef Augustin Carstens um den Posten des Generaldirektors zum Glaubenskrieg zwischen westlicher Dominanz und aufstrebenden Ländern.
Was kommt nach dem Sturm?
Die Zukunft liegt im Osten, kein Zweifel. Doch für ein Comeback der Seidenstrasse ist es noch zu früh. Zwar boomt der transasiatische Handel. Doch politisch stehen Moskau, Peking und die Golfstaaten erst am «Beginn einer wunderbaren Freundschaft“. Die Welt steuere auf einen «Perfekten Sturm» im 2013 zu, glaubt der US-Ökonom Nouriel Roubini, weil EU und USA ihre Schuldenprobleme nicht lösen könnten, China und Japan in die Rezession abzugleiten drohen, so «Dr. Doom». Der Sturm könnte nicht nur die Weltwirtschaft durchrütteln. Auch die Tage der Kartelle dieser Welt scheinen gezählt.