Washington – Die Abgas-Affäre wird Volkswagen in den USA voraussichtlich bis zu 15 Milliarden Dollar kosten. Ein entsprechendes Paket sieht Rückkäufe, Entschädigungen und Strafen vor. Nach monatelangen Verhandlungen erzielte VW eine Einigung mit den US-Behörden und Klägern, die am Dienstag vorgestellt wurde.
Das Unternehmen verpflichtet sich demnach, Hunderttausende vom Skandal betroffene Dieselautos in den Vereinigten Staaten zurückzukaufen oder umzurüsten. In dem Gesamtbetrag soll auch eine Zahlung von 2,7 Milliarden Dollar an einen Fonds enthalten sein, mit dem Umweltprojekte gefördert werden sollen. Ausserdem soll VW mit 2 Milliarden Dollar die Verbreitung von emissionsfreien Autos fördern. Denkbar wäre zum Beispiel der Bau von Ladestationen für Elektroautos.
Bei Abgabstests getrickst
Umgerechnet kann die Aufarbeitung die Wolfsburger in den USA damit rund 13,3 Milliarden Euro kosten – dies entspricht etwa einem Jahresgewinn in früheren guten Zeiten. Bislang hat der Autobauer für die Folgen der Krise gut 16 Milliarden Euro (aktuell 17,6 Mrd Dollar) zurückgelegt. Dabei geht es aber nicht nur um Probleme in Amerika.
Der VW-Konzern hatte Ende September 2015 nach Vorwürfen des US-Umweltamtes EPA zugegeben, in grossem Stil bei Abgastests getrickst zu haben. Weltweit sind elf Millionen Wagen betroffen.
Vergleich noch nicht rechtskräftig
Der nun erzielte Vergleich ist noch nicht rechtskräftig. Zunächst muss der Richter Charles Breyer in Francisco dem Entwurf zustimmen. Bei ihm sind Klagen in den USA gebündelt. Im April hatte VW bereits eine Grundsatzeinigung erzielt, nun folgte die genaue Ausgestaltung. Breyers endgültige Entscheidung wird für Ende Juli erwartet. Danach haben Kläger die Möglichkeit, das Vergleichsangebot anzunehmen.
Im Einzelnen will VW US-Kunden mit manipulierten Autos jeweils mindestens 5100 Dollar (4600 Euro) Entschädigung zahlen. In manchen Fällen kann die Summe fast 10 000 Dollar betragen. Die Besitzer könnten sich aussuchen, ob VW ihre Wagen zurückkaufen oder umrüsten soll. Bei den vo dem Kompromiss betroffenen rund 480 000 Dieselautos handelt es sich um VW-Modelle wie den Jetta oder Passat sowie um den A3 von Audi . Für die grösseren Sechszylinder-Motoren mit 3,0 Litern Hubraum steht noch keine Regelung.
«Sehr erhebliche Bürde»
VW-Finanzchef Frank Witter nannte das Entschädigungs-Paket eine «sehr erhebliche Bürde für unser Geschäft». Das mache den eingeschlagenen Sparkurs umso nötiger. Vor allem die Kernmarke VW ist ertragsschwach. Witter warnte mit Blick auf die USA: «Vergleichslösungen in dieser Grössenordnung belasten uns ohne Zweifel erheblich.»
Verbraucherschützer fordern seit langem Schadenersatz auch für europäische Kunden. In Europa sind weitaus mehr Autofahrer von den Abgasmanipulationen betroffen. Eine US-Lösung für Europa hatte VW aber unter Verweis auf die unterschiedliche Gesetzgebung abgelehnt.
«Wichtiger Schritt nach vorn»
Konzernchef Matthias Müller nannte die Vereinbarungen in den USA «einen wichtigen Schritt nach vorn». Doch der Weg sei noch weit. «Wir sind uns bewusst, dass wir noch viel tun müssen, um das Vertrauen der Menschen in Amerika zurückzugewinnen.» VW hatte nach dem Skandal den Verkauf sämtlicher Diesel in den USA gestoppt, der Absatz brach ein.
Nach Einschätzung des Justizministeriums in Washington ist der Dieselskandal eine der schwerwiegendsten Verletzungen von Verbraucher- und Umweltrechten der US-Geschichte. Verbraucher hätten VW vertraut und seien bitter enttäuscht worden, sagte Vize-Generalbundesanwältin Sally Yates. Die Einigung sei ein «wichtiger erster Schritt», um VW für den Bruch von Gesetzen zur Rechenschaft zu ziehen. Klagen der Regierung und mögliche strafrechtliche Fragen seien davon aber noch nicht berührt. Mit den deutschen Behörden habe man gut kooperiert.
Reparieren oder verschrotten
Die Chefin der Umweltschutzbehörde EPA, Gina McCarthy, sprach von einer in jeder Hinsicht bahnbrechenden Einigung – VW müsse in vollem Umfang alle Konsequenzen seines Verhaltens tragen. «Wir senden heute eine starke Botschaft», sagte sie: «Wenn Sie unser Gesetz brechen, gibt es sehr ernsthafte Konsequenzen.» Die Frage, ob VW betroffene Autos notfalls ausserhalb des Landes weiterverkaufen könne, verneinte sie: «Wir verfrachten diese Luftverschmutzung nicht woanders hin.» Im Zweifel müsse entschieden werden: «reparieren oder verschrotten.»
Auch nach der US-Einigung ist der Skandal nicht vorbei. So drohen Milliardenklagen von Anlegern wegen möglicher Marktmanipulationen. Zudem sind die Rückrufe betroffener Wagen noch nicht abgeschlossen.
Schwere Krise
Die Abgas-Affäre hatte VW in eine schwere Krise gestürzt und 2015 den grössten Verlust der Firmengeschichte eingebrockt. Volkswagen hat auch als Reaktion darauf inzwischen eine neue Strategie vorgelegt. VW-Chef Müller hatte angekündigt, die Elektromobilität massiv auszubauen. Darüber hinaus will er Milliarden für neue Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing und miteinander vernetzte Fahrzeuge investieren. (awp/mc/pg)