Jens Weidmann, neuer Bundesbank-Präsident.
Frankfurt am Main – Der deutsche Wirtschaftsboom wird nach Einschätzung der Bundesbank anhalten. «Der an Breite gewinnende Aufschwung könnte die Wirtschaftsaktivität in Deutschland über längere Zeit tragen», schreibt die Notenbank in ihrem am Freitag veröffentlichten Monatsbericht.
In der Folge könnte die deutsche Defizitquote im laufenden Jahr unter 2,0 Prozent sinken und damit deutlich unter die in Europa erlaubte 3-Prozent-Grenze. 2010 Jahr lag die sogenannte Maastricht-Defizitquote für Deutschland bei 3,3 Prozent.
«Gewisse Beruhigung im Expansionstempo»
Nach dem «fulminanten Start» ins Jahr 2011 sei jedoch für die nächsten Monate «eine gewisse Beruhigung im Expansionstempo» zu erwarten. Das überraschend starke Wachstum im ersten Quartal sei erheblich von Aufhol- und Nachholeffekten überzeichnet gewesen. Auch die deutsche Bundesregierung stellt sich dementsprechend im weiteren Jahresverlauf auf eine Abschwächung der Dynamik ein. Zwar signalisierten die Indikatoren eine Fortsetzung des Aufschwungs in Deutschland. «Allerdings dürfte sich das Wachstumstempo gegenüber dem 1. Quartal etwas verlangsamen», heisst es in dem am Freitag in Berlin vorgelegten Monatsbericht des Finanzministeriums. «Dafür sprechen vor allem die Stimmungsindikatoren, die sich zuletzt etwas eingetrübt haben, jedoch weiterhin auf hohem Niveau liegen.» Sorgen bereitet dem Finanzministerium weiter der anhaltende Preisanstieg.
BIP legt im Q1 um 1,5% zu
In den ersten drei Monaten 2011 hatte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal real um 1,5 Prozent zugelegt. Am Dienstag (24.5.) veröffentlicht das Statistische Bundesamt Details. Zum Wachstum in Deutschland dürfte nach Einschätzung der Bundesbank auch die erwartete Zuwanderung von Arbeitnehmern aus Osteuropa beitragen. Seit dem 1. Mai brauchen Bürger aus den acht osteuropäischen Ländern, die 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, keine Arbeitserlaubnis für Deutschland mehr. Die sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt seither für Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Vorsichtige Schätzungen gehen nach Angaben der Bundesbank davon aus, dass in den Jahren 2011 bis 2013 pro Jahr insgesamt etwa 50.000 Bürger aus diesen Staaten nach Deutschland zuwandern werden.
Weidmann warnt vor «weicher» Umschuldung Griechenlands
Bundesbank-Chef Jens Weidmann warnt vor einer sogenannten «weichen» Umschuldung Griechenlands. Eine Verlängerung der Laufzeiten griechischer Staatsanleihen berge grosse Gefahren und könne wichtige Reformen nicht ersetzen, sagte Weidmann am Freitag in Hamburg. An der Tragfähigkeit der Staatsfinanzen würde sich mit einer Laufzeitverlängerung kaum etwas ändern. Zudem würden andere Faktoren, die ebenfalls die Staatsfinanzen beeinflussen, keinesfalls verbessert werden, sagte Weidmann etwa mit Blick auf die Wachstumsaussichten Griechenlands.
Ansteckungsgefahren
Darüber hinaus würden die Ansteckungsgefahren für andere Euro-Länder mit einer «weichen» Umschuldung Griechenlands deutlich steigen, warnte der Bundesbank-Chef. Zugleich dämpfte Weidmann Erwartungen, die Geldpolitik könnte einen solchen Kurs mit finanziellen Mitteln unterstützen: «Eine derartige Monetarisierung von Staatsschulden kann nicht toleriert werden.» Anstatt die Grenzen von Finanz- und Geldpolitik noch weiter zu verwischen, sei die Finanzpolitik gefragt, ihrer Verantwortlichkeit gerecht zu werden und die Schuldenkrise in den jeweiligen Ländern zu bekämpfen.
Eurozone am Scheideweg
Weidmann sieht die Eurozone derzeit am Scheideweg: «Die künftige Rolle der europäischen Währungsunion wird davon abhängen, wie mit dieser Situation umgegangen wird», sagte er mit Blick auf Griechenland. In erster Linie sei es Aufgabe Griechenlands, geeignete und zusätzliche Massnahmen zu ergreifen, sollten die bereits eingeleiteten Reformen nicht ausreichen. Zweifelsohne seien die Massnahmen nicht einfach umzusetzen und stellten eine grosse Belastung für Wirtschaft wie Bevölkerung dar. Gleichwohl sei der Sparkurs unerlässlich, um das Vertrauen in die Staatsfinanzen wieder herzustellen. Zumal die Massnahmen ohne finanzielle Unterstützung seitens EU und dem IWF noch viel härter ausgefallen wären. (awp/mc/upd/ps)