Wiesbaden – Die Schwächephase in der deutschen Industrie nimmt weiterhin kein Ende. Im Dezember mussten die Industrieunternehmen beim Auftragseingang überraschend einen erneuten Dämpfer einstecken. Im Monatsvergleich sei die Zahl der neuen Aufträge um 2,1 Prozent gesunken, teilte das Statistische Bundesamts am Donnerstag in Wiesbaden mit. Ausschlaggebend für die schwache Entwicklung war ein ungewöhnlich starker Einbruch bei den Aufträgen aus der Eurozone. Die «Horror-Show» in der deutschen Industrie geht weiter, kommentierte der Chefvolkswirt von ING Deutschland, Carsten Brzeski.
Generell wurden Analysten von der schwachen Entwicklung Ende des vergangenen Jahres überrascht. Sie hatten beim Auftragseingang im Schnitt einen Zuwachs um 0,6 Prozent erwartet. Allerdings war die Entwicklung im Vormonat nicht ganz so schwach wie bisher gedacht ausgefallen. Das Bundesamt revidierte den Auftragseingang für November nach oben. Demnach habe es im Monatsvergleich nur einen Rückgang um 0,8 Prozent gegeben, nachdem zunächst ein Rückgang um 1,3 Prozent gemeldet worden war.
Aufträge im Jahresvergleich um 8,7% gefallen
Im Jahresvergleich sanken die Aufträge im Dezember um 8,7 Prozent. Auch in dieser Abgrenzung fiel der Auftragseingang enttäuschend aus. Analysten hatten im Schnitt nur einen Rückgang um 6,6 Prozent erwartet.
Eine wesentliche Ursache für die enttäuschenden Daten sehen Experten in der schwachen Entwicklung bei den Aufträgen aus dem Ausland. Hier meldete das Bundesamt einen Rückgang um 4,5 Prozent im Monatsvergleich. Die Auftragseingänge aus der Eurozone sackten dabei um 13,9 Prozent ab.
Für die einzelnen Bereiche der Industrie meldete das Bundesamt bei den Herstellern von Investitionsgütern einen Rückgang um 3,9 Prozent. Im Bereich der Konsumgüter gingen die Aufträge demnach um 3,8 Prozent zurück. Bei den Herstellern von Vorleistungsgütern sei der Auftragseingang im Dezember hingegen um 1,4 Prozent höher gewesen als im Vormonat, hiess es weiter.
Handelskonflikt und Brexit belasten
«Die Handelskonflikte und das Ausscheiden Grossbritanniens aus der EU haben zum Jahresende massiv belastet», erklärte Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP-Bank die schwachen Auftragsdaten. Nachdem wichtige Stimmungsindikatoren aus der deutschen Wirtschaft zuletzt Hoffnung auf bessere Zeiten geweckt hatten, waren die Auftragsdaten aus dem Dezember nach Einschätzung des Commerzbank-Analysten Ralph Solveen «eine kalte Dusche».
Mit Blick auf die kurzfristige Entwicklung in der deutschen Industrie bewertet ING-Ökonom Brzeski die Lage nach wie vor als «düster». Nach Einschätzung des Experten Solveen von der Commerzbank deutet der schwache Auftragseingang darauf hin, dass die deutsche Industrieproduktion im ersten Quartal trotz besserer Stimmungsindikatoren sinken werde.
«Insgesamt bleibt der Ausblick für die Industriekonjunktur verhalten», hiess es in einer Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums. Chefvolkswirt Gitzel wird deutlicher: «Das Jahr 2020 wird für die deutsche Wirtschaft ein sehr schwieriges», sagte der Ökonom.
Am Devisenmarkt belasteten die schwachen Auftragsdaten den Euro kaum. Die Kurse von deutschen Anleihen erhielten nur zeitweise etwas Auftrieb. (awp/mc/ps)