(Foto: Deutsche Bahn)
Berlin / Frankfurt – Die Deutsche Bahn bereitet sich auf den längsten Streik ihrer Unternehmensgeschichte vor. Die Lokführer wollten ab Montagnachmittag um 15.00 Uhr im Güterverkehr die Arbeit niederlegen. Die Personenzüge sollen ab Dienstag um 2.00 Uhr fünf Tage lang bis Sonntagmorgen deutschlandweit bestreikt werden. Die Bahn will Ersatzfahrpläne aufstellen. Reisende müssen sich dennoch auf Tage voller Zugausfälle und ungewisser Verbindungen einstellen. Eine Schlichtung des Tarifkonflikts ist weiter nicht in Sicht.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, machte die Bahn für den achten Ausstand in der laufenden Auseinandersetzung verantwortlich: «Die Eskalation verursacht die Deutsche Bahn AG», sagte er am Montag in Berlin. Der Arbeitgeber verhandele seit zehn Monaten, ohne ein Ergebnis zu wollen. «Einen Schritt vor, zwei zurück», sei die Strategie der Bahn.
Die Ersatzfahrpläne für die kommenden Tage sollten am Montagnachmittag gegen 14.00 Uhr fertig sein und unter www.bahn.de ins Internet gestellt werden. Die Bahn werde alles unternehmen, um die Auswirkungen für ihre Kunden so gering wie möglich zu halten, hiess es. Dennoch müsse mit starken Beeinträchtigungen gerechnet werden. Beim jüngsten Streik im April waren im Fernverkehr zwei von drei Zügen und im Regionalverkehr etwa jeder zweite Zug ausgefallen.
Vorschläge für Schlichtung abgelehnt
Forderungen nach einer Schlichtung wies Weselsky erneut zurück: «Wir lassen nicht über Grundrechte schlichten.» Der Einsatz eines externen Vermittlers sei nur bei Fragen wie Entgelt und Arbeitszeiten möglich. In den Gesprächen ging es bisher aber vor allem um Strukturfragen: Die GDL dringt darauf, auch für andere Berufsgruppen als Lokführer Tarifabschlüsse mit der Bahn aushandeln zu dürfen.
Scharfe Kritik an dem neuerlichen Streikaufruf kam aus der Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte die GDL auf, den angekündigten Ausstand sofort wieder abzusagen. «Der gesamten deutschen Wirtschaft drohen Schäden von täglich 100 Millionen Euro. Das Vorgehen der GDL ist verantwortungslos und vollkommen unverhältnismässig», sagte Kramer.
Die GDL hatte am vergangenen Donnerstag das neue Tarifangebot der Bahn zurückgewiesen und einen weiteren, langen Arbeitskampf angekündigt. Die Bahn hatte angeboten, die Löhne sollten vom 1. Juli an in zwei Stufen um insgesamt 4,7 Prozent steigen. Dazu komme eine Einmalzahlung von insgesamt 1000 Euro bis zum 30. Juni.
Mehr Geld und weniger arbeiten
Die GDL fordert für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche. Ein Knackpunkt für die Gewerkschaft ist die Einstufung der Lokrangierführer im Tarifgefüge der Bahn. Sie kritisiert, die Bahn wolle diese Kollegen, die etwa für das Koppeln und Entkoppeln von Zügen zuständig sind, niedriger einstufen als Mitarbeiter auf der Strecke.
Der Konflikt ist auch deshalb so schwierig, weil die GDL mit der grösseren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um Einfluss im Konzern ringt. Zudem will die GDL einen Erfolg erzielen, bevor das kommende Tarifeinheitsgesetz der schwarz-roten Bundesregierung die Macht kleiner Gewerkschaften beschränkt.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte den Streik. «Ich habe Verständnis dafür, dass viele Bürger über das Ausmass verärgert sind», sagte Dobrindt der «Bild»-Zeitung (Montag).
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte in dem Blatt: «Der Tarifstreit bei der Bahn ist für Aussenstehende kaum noch nachzuvollziehen. Alle Beteiligten müssen sich fragen, ob der Schaden, den dieser Ausstand anrichten könnte, noch in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Auseinandersetzung steht. Statt Deutschland lahmzulegen, brauchen wir ernsthafte Verhandlungen.»
Viele Schweizer Zugverbindungen vom Lokführerstreik betroffen
Wegen des mehrtägigen Streiks von Lokführern in Deutschland werden ab Dienstag auch zahlreiche Zugverbindungen ab der Schweiz beeinträchtigt. Es muss mit Verspätungen, Zugausfällen und Umleitungen gerechnet werden, wie die SBB am Montag warnte.
Der Bahnverkehr in Deutschland ist zwischen Dienstagnacht 2 Uhr und Sonntagmittag nur eingeschränkt möglich: Die internationalen Züge EC Zürich HB – München Hauptbahnhof (Hbf) fallen zwischen Bregenz und München Hbf aus.
Laut weiteren Angaben der SBB werden die IC-Busse Zürich Sihlquai/HB – München ZOB planmässig verkehren. Allerdings ist eine Platzreservation obligatorisch. Auch die Züge RE Basel SBB – Freiburg (Breisgau) Hbf – Offenburg verkehren nicht.
Die Züge IC Zürich HB – Stuttgart Hbf fallen zwischen Schaffhausen und Stuttgart Hbf aus. Reisende sollen via Basel SBB und Karlsruhe Hbf fahren. Die Deutsche Bahn plant, trotz des Streiks der Lokführergewerkschaft GDL rund ein Drittel der Fernzüge fahren zu lassen.
Voraussichtlich planmässig verkehren auch diverse grenzüberschreitende S-Bahnen und Regionalzüge. So die S5 Weil am Rhein – Steinen, die S6 Basel SBB – Zell (Wiesental), der R Konstanz – Engen (SBB Deutschland GmbH), die S-Bahnzüge S27 Baden – Waldshut, die S41 Winterthur – Waldshut, die S22 Bülach – Singen, die S16 Herrliberg-Feldmeilen – Thayngen und der R Schaffhausen – Erzingen sowie der R Weinfelden – Konstanz. (awp/mc/upd/ps)