Telekom-Chef René Obermann.
Bonn – Die Deutsche Telekom hat nach jahrelangen Rückgängen den Weg zurück zu Wachstum gefunden. Die Umsatzwende im zweiten Quartal verdanken die Bonner in erster Linie der Übernahme des US-Regionalanbieters MetroPCS. Doch auch ohne Zukäufe und Währungseffekte wären die Erlöse wegen des verstärkten Kundenzustroms in den USA, Deutschland und Europa gestiegen. «Wir erleben einen Kundenansturm auf beiden Seiten des Atlantiks», sagte Vorstandschef Rene Obermann am Donnerstag.
Am Markt wurden die Nachrichten mit Begeisterung aufgenommen, der ehemalige Monopolist wurde als neue Wachstumsgeschichte gehandelt. Die T-Aktie erlebte einen für ihre Verhältnisse äusserst seltenen Anstieg um 6,5 Prozent auf 9,64 Euro. Die erhöhten Investitionen in den USA seien der richtige Weg, die Geschäftsdynamik bei T-Mobile USA voranzutreiben, schrieb Analystin Robin Bienenstock vom US-Analysehaus Bernstein. Insgesamt erreiche die Telekom einen Wendepunkt: Die Geschäftsperspektiven seien stabiler, das operative Ergebnis verbessere sich und der Barmittelzufluss wachse.
Mehr Investitionen in US-Kunden
«Wir freuen uns sehr, dass wir im USA-Geschäft nach 16 aufeinanderfolgenden Quartalen mit Vertragskundenverlusten im zweiten Quartal eine Trendwende erreicht haben», sagte Finanzvorstand Tim Höttges. Obermann goss jedoch Wasser in den Wein. Weder für den Gesamtkonzern noch für die Telekom-Branche in Europa stünden goldene Zeiten an. «Der Wettbewerb wird sehr hart bleiben. Wir hatten ein paar gute Monate, sollten die Kirche aber im Dorf lassen.» Wegen des Kostendrucks ist die Branche derzeit stark in Bewegung: In Deutschland will Vodafone Kabel Deutschland schlucken und O2 kauft E-Plus.
Gestärkt durch die Übernahme wollen die Bonner in den USA nun eine Kundenoffensive fahren. Statt die Zahl der Kunden nur zu stabilisieren, peilen sie eine Steigerung um 1 bis 1,2 Millionen an. Das kostet Geld. Daher erwartet die Telekom beim Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Sonderposten (bereinigtes EBITDA) in diesem Jahr statt 18 Milliarden nur noch 17,5 Milliarden Euro. In beiden Prognosen wurde MetroPCS für acht Monate berücksichtigt. Der freie Barmittelzufluss soll statt 5 Milliarden Euro nur noch 4,5 Milliarden Euro betragen.
T-Mobile USA läuft gut
Insgesamt stieg der Umsatz im zweiten Quartal um 5,4 Prozent auf 15,16 Milliarden Euro. Dabei fällt ins Gewicht, dass die amerikanische Mobilfunksparte T-Mobile USA zum 1. Mai MetroPCS übernommen hatte und deren Erlöse für zwei Monate des Quartals in den Konzernumsatz eingingen. Einen weiteren Teil des Umsatzschubs verdankt die Telekom dem Verkauf von Handys. Das lockt Kunden in die Verträge, doch zunächst kostet es Geld. Daher sank das bereinigte EBITDA um sechs Prozent auf 4,4 Milliarden Euro. Unterm Strich wuchs der Überschuss dank geringerer Abschreibungen um zehn Prozent auf 530 Millionen Euro.
In der US-Sparte, lange Zeit das Sorgenkind der Bonner, beginnt es rund zu laufen. Der Startschuss für die Trendwende fiel im April, als T-Mobile USA den Hauptgrund für den Kundenschwund abstellen konnte: Als letzter der vier grossen landesweiten Anbieter nahm die Telekom-Tochter das begehrte iPhone ins Programm. Seit der Übernahme von MetroPCS im Mai geht es jetzt vor allem um die Netzqualität. Dazu wird das LTE-Netz ausgebaut. In der Folge kamen im abgelaufenen Quartal unterm Strich 688.000 neue Vertragskunden hinzu. Vor einem Jahr hatte T-Mobile noch mehr als eine halbe Million dieser lukrativen Kunden verloren. Einschliesslich MetroPCS kann T-Mobile nun 44 Millionen US-Kunden vorweisen.
Kundenzahl steigt
Im wichtigen Heimatgeschäft konnte die Telekom ihre starke Position dank hoher Werbeausgaben und Investitionen ins eigene Netz gegen die Konkurrenz aus Mobilfunkern und Kabelnetzbetreibern behaupten. Die Anzahl ihrer Handy-Kunden legte im Jahresvergleich von 35,5 auf 37,5 Millionen zu, der Löwenanteil davon sind wertvolle Vertragskunden. Zwar gingen Umsatz und Gewinn leicht zurück, doch kann sich das Ergebnis im Vergleich zur Konkurrenz sehen lassen. Wie bisher zieht die Telekom mit 2,28 Milliarden Euro die Hälfte ihres operativen Gewinns aus dem Heimatmarkt.
In der gebeutelten Europa-Sparte konnte die Telekom die Rückgänge in Grenzen halten. In mehreren südeuropäischen Ländern hatten Regulierer niedrigere Preise erzwungen. Auch zeigen sich Kunden angesichts des Konjunktureinbruchs wegen der Schuldenkrise knauseriger. Umsatz und operativer Gewinn schrumpften.
Wie die meisten Telekomkonzerne Europas ist die Telekom hochverschuldet. Anders als bei einigen Konkurrenten erhöhten sich jedoch die Verbindlichkeiten der Bonner. Der Schuldenberg stieg von Ende März bis Ende Juni von 37,1 auf 41,4 Milliarden Euro. Die Hauptgründe liegen darin, dass die Telekom etwa doppelt sie viel Geld an ihre Aktionäre ausgeschüttet hat, als der freie Barmittelzufluss im zweiten Quartal hergab. Ausserdem schlugen die Schulden von MetroPCS durch die Konsolidierung zu Buche. Im zweiten Halbjahr soll der Schuldenberg wieder schrumpfen, sagte Höttges. Dafür will er den Barmittelzufluss und Erlöse aus Verkäufen von Unternehmensteilen nutzen. (awp/mc/upd/ps)