Deutsche Wirtschaft wächst in den Sommermonaten kräftig
Wiesbaden – Die deutsche Wirtschaft geht mit Rückenwind in den Jahresendspurt. Angetrieben vom Exportboom und von steigenden Investitionen vieler Unternehmen stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Die Wiesbadener Behörde bestätigte damit eine erste Schätzung. Im zweiten Vierteljahr hatte es ein Plus von 0,6 Prozent gegeben.
Nach Einschätzung von Ökonomen steuert Europas grösste Volkswirtschaft auf das stärkste Wachstum seit sechs Jahren zu. «Die wirtschaftliche Erfolgsstory Deutschlands setzt sich fort», sagte ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Bremsspuren durch das Scheitern der Jamaika-Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen über ein Regierungsbündnis erwarten Experten vorerst nicht.
Exporte legen deutlich stärker zu als die Importe
Der Export profitierte von der Erholung der Weltkonjunktur, die die Nachfrage nach Waren «Made in Germany» ankurbelt. Die Ausfuhren legten nach Angaben der Statistiker in den Sommermonaten Juli bis September stärker zu als die Importe. Zugleich investierten viele Firmen im Vergleich zum zweiten Quartal deutlich mehr in Ausrüstungen wie Maschinen, Geräte und Fahrzeuge (plus 1,5 Prozent). Die Firmen waren zuletzt laut Ifo Institut so optimistisch wie nie zuvor.
Privatkonsum stagniert
Der private Konsum, bisher Hauptstütze der Konjunktur, legte dagegen eine Verschnaufpause ein. Die Ausgaben der Verbraucher lagen den Angaben zufolge minimal um 0,1 Prozent unter dem Niveau des starken zweiten Vierteljahrs. Die Verbraucher sind angesichts der historisch günstigen Lage auf dem Arbeitsmarkt und der Zinsflaute zwar weiter in Kauflaune. Zuletzt hatte nach Angaben der GfK-Konsumforscher die Preisentwicklung die Stimmung allerdings etwas gedämpft. «Der positive Trend der Konsumausgaben dürfte aber nicht in Gefahr sein», beruhigte BayernLB-Volkswirt Stefan Kipar.
Kaum Impulse vom Bau
Auch vom Bau kamen keine Impulse. Die Investitionen in Bauten sanken leicht um 0,4 Prozent. «In Anbetracht der satten Zuwächse im ersten Halbjahr ist dies allerdings kein Beinbruch. Die Auftragsbücher der Bauwirtschaft sind gut gefüllt», argumentierte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank in Liechtenstein.
BIP legt um 2,3% zu
Binnen Jahresfrist legte das BIP im dritten Quartal preisbereinigt um 2,3 Prozent zu. Ökonomen rechnen damit, dass sich der ungewöhnlich lange Aufschwung vorerst fortsetzt. Zahlreiche Volkswirte hatten zuletzt ihre Prognosen heraufgesetzt. Danach dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um mehr als zwei Prozent wachsen. Auch für 2018 trauen sie Europas grösster Volkswirtschaft ein hohes Tempo zu. Im vergangenen Jahr war das BIP um 1,9 Prozent gestiegen.
Angefacht durch die lockere EZB-Geldpolitik besitze die deutsche Wirtschaft so viel Schwung, «dass sich die zahlreichen, politisch zu lösenden Probleme Deutschlands vorerst nicht bemerkbar machen werden», argumentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer jüngst.
Chefvolkswirt Brzeski verwies auf das günstige Umfeld unter anderem durch die niedrigen Zinsen im Euroraum. Das schirme die deutsche Wirtschaft aktuell gegen politische Unsicherheiten ab. Angesichts des dringenden Investitionsbedarfs in Bildung und Digitalisierung sowie fehlender Strukturreformen, sollte die Politik allerdings nicht zu viel Zeit verschwenden, um die wirtschaftliche Zukunft nicht zu gefährden. Auch Wirtschaftsvertreter hatten zuletzt vor einer Hängepartie bei der Regierungsbildung in Berlin gewarnt. (awp/mc/pg)