Ryanair streicht wegen Streiks 150 Flüge von und nach Deutschland
Frankfurt / Dublin – Wegen erneuter Streiks ihrer Besatzungen hat die irische Billigfluglinie Ryanair für diesen Mittwoch 150 Flugverbindungen von und nach Deutschland gestrichen. Damit solle der übrige Flugplan von 250 Flügen stabilisiert werden, erklärte Organisationschef Peter Bellew am Dienstag in Frankfurt.
Die betroffenen Passagiere seien am Nachmittag informiert worden, alle übrigen könnten wie geplant fliegen, meinte Bellew. Die Streikopfer könnten kostenfrei umbuchen oder den Ticketpreis zurückerhalten. Darüber hinausgehenden Schadenersatz lehnt die Gesellschaft ab und lässt es in dieser Frage auf einen Prozess mit dem Flugrechteportal AirHelp ankommen.
Die Vereinigung Cockpit (VC) und Verdi haben Piloten und Flugbegleiter ab 03.01 Uhr zu einem ganztägigen Streik an den zwölf deutschen Basen aufgerufen. Dort sind rund 400 Piloten und 1000 Flugbegleiter beschäftigt, die mehr als 40 Maschinen fliegen. Erstmalig versuchen damit die Gewerkschaften beider Berufsgruppen gemeinsam, Verbesserungen beim grössten Billigflieger Europas zu erzielen. Insgesamt fliegt Ryanair 19 Flughäfen in Deutschland an. Eine Liste der ausfallenden Flüge wollen die Iren nicht veröffentlichen.
Bei einem ersten Streik der Piloten am 10. August hatte Ryanair von sich aus 250 deutsche Flüge abgesagt und die Kampfbereitschaft der VC-Crews nicht final getestet. Für Verdi ist es der erste Streik bei Ryanair. Die Gewerkschaft will weitere Streiks folgen lassen, wenn die Fluggesellschaft kein Entgegenkommen zeigt. «Das ist ein erster Warnstreik. Wie es weitergeht, hängt vom Verhandlungsverlauf ab», sagte Vorstandsmitglied Christine Behle am Dienstag in Berlin. Mit VC sei man zwar nicht immer einer Meinung, versuche sich aber abzustimmen. «Wir wollen zeigen, dass sich beide Berufsgruppen nicht auseinanderdividieren lassen.»
Verdi-Verhandlungsführerin Mira Neumaier nannte das Tarifangebot für die Flugbegleiter nach zwei Verhandlungsrunden völlig unzureichend. Das Basisgehalt solle nach dem Ryanair-Angebot über einen Zeitraum von drei Jahren nur um 41 Euro monatlich angehoben werden. Bei den Piloten konnten sich beide Seiten weder auf ein Schlichtungsverfahren noch auf die Person eines Schlichters einigen.
Ryanair droht Gewerkschaften
Der Billigflieger kontert die gemeinsamen Crew-Streiks mit Drohungen: Gerade an kleineren Standorten würden fortgesetzte Arbeitskämpfe zu Verlusten führen, die Ryanair nicht tragen könne, erklärte Bellew. In ihrem Heimatland Irland hatte die Gesellschaft mit dem Abzug von mehreren Jets nach Polen gedroht. Nach fünf Streikwellen der Piloten und einer Einigung mit der dortigen Gewerkschaft wurde diese Entscheidung wieder zurückgenommen.
Grundsätzlich wolle man aber in Deutschland seinen Marktanteil von derzeit knapp 10 auf 20 Prozent steigern, erklärte Marketing-Chef Kenny Jacobs. Dafür wolle man mit den Gewerkschaften Verträge abschliessen. Man sei mit der VC nah beieinander gewesen, meinte Bellew. VC habe ferner bei der Lufthansa -Tochter Eurowings längst niedrigere Gehälter akzeptiert, als sie nun bei Ryanair fordere.
Die Gewerkschaften wollen die Airline hart treffen. «Es wird für Ryanair am Mittwoch sehr schwierig, noch Flugzeuge aus Deutschland zu bewegen», sagte VC-Sprecher Markus Wahl der Deutschen Presse-Agentur. Man rechne aber damit, dass Ryanair Maschinen und Crews aus anderen Ländern kurzfristig nach Deutschland schicke, wie es bei einem ersten Warnstreik kurz vor Weihnachten geschehen war. Bellew erklärte hingegen, dass man darauf verzichten wolle, um das stramme Flugprogramm im übrigen Europa aufrecht zu erhalten.
Unterschiedlich gehen die Gewerkschaften mit den Leiharbeitern in ihren Reihen um. Während Verdi die rund 700 Betroffenen mit zum Streik aufruft, wendet sich VC nur an die bei Ryanair direkt angestellten Piloten. Laut Unternehmen sind das aktuell rund 80 Prozent. Bis Dezember soll es unter den in Deutschland eingesetzten Piloten keine Selbstständigen mehr geben, erklärte Jacobs erneut. Nach Angaben von Verdi haben alle Kabinenbeschäftigten irische Arbeitsverträge. Diese sicherten zum Beispiel keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit ab und erlaubten eine kurzfristige Versetzung an jeden andern Ryanair-Standort in Europa.
Bei der ersten Streikwelle am 10. August hatten die deutschen Piloten gemeinsam mit Kollegen aus den Niederlanden, Belgien und Schweden die Arbeit niedergelegt. Die Airline hatte in der Folge rund 400 Verbindungen abgesagt, rund ein Sechstel des für diesen Tag geplanten Europa-Programms. Betroffen waren damals rund 55 000 Passagiere. In Deutschland fielen damals rund 250 Flüge aus. Auch die österreichische Laudamotion musste Flüge absagen, da sie auf Leihmaschinen von Ryanair angewiesen ist. (awp/mc/ps)