Wiesbaden – Dämpfer für das deutsche Konjunkturwunder: Gebremst vom schwächelnden Aussenhandel ist die Wirtschaft im ersten Quartal 2018 nur halb so stark gewachsen wie Ende vergangenen Jahres. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Im vierten Quartal vergangenen Jahres hatte sich die Wirtschaftsleistung noch um 0,6 Prozent erhöht.
Ökonomen rechnen nicht mit einem Ende des Aufschwungs, auch wenn das Wachstum etwas schwächer ausfiel als erwartet. «Nun ist leichtere Wachstumskost angesagt – aber bislang noch keine Diät», sagte VP-Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel. Manche Experten sehen aber wachsende Risiken für Europas grösste Volkswirtschaft, vor allem angesichts der von den USA angeheizten Handelskonflikte und gestiegener Ölpreise.
Das BIP stieg das 15. Mal in Folge im Vergleich zum Vorquartal. «Das ist die längste Aufschwungphase seit 1991», erklärte die Wiesbadener Behörde. Allerdings schwächelte Deutschland auch im europäischen Vergleich. Im Euroraum wuchs die Wirtschaft nach Angaben des Statistikamtes Eurostat im ersten Quartal um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal und damit etwas stärker als in der Bundesrepublik.
Aussenhandel bremst
Bremsspuren hinterliess vor allem der Aussenhandel. Importe und Exporte sanken im Vergleich zum Vorquartal. «Das stützt unsere Einschätzung, dass die deutsche Wirtschaft gegenwärtig unter dem starken Euro leidet, der in den zurückliegenden zwölf Monaten um 9 Prozent aufwertete und die hierzulande produzierten Güter aus Sicht ausländischer Kunden verteuerte», argumentierte Commerzbank -Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Auch vielen der 30 Dax-Konzerne verdarb der starke Euro den Start ins Jahr 2018. Insgesamt sanken die Erlöse im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,5 Prozent auf zusammengerechnet rund 343 Milliarden Euro, wie aus einer Auswertung des Beratungs- und Prüfungsunternehmen EY hervorgeht. In der Summe habe der starke Euro zu Umsatzeinbussen von fast 15 Milliarden Euro geführt.
Erstmals seit knapp fünf Jahren sanken den Statistikern zufolge auch die Konsumausgaben des Staates, zu denen unter anderem soziale Sachleistungen und Gehälter der Mitarbeiter zählen. Das dämpfte das Wirtschaftswachstum ebenfalls.
Getragen wurde die Konjunktur von den Investitionen der Unternehmen in Maschinen und andere Ausrüstungen sowie dem Bauboom. Auch die Verbraucher sind weiter in Konsumlaune, denn die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist historisch günstig. «Die Hauptstütze des aktuellen Aufschwungs steht damit noch», sagte BayernLB-Analyst Stefan Kipar.
Der Syrien-Konflikt und die Handelspolitik der USA hatten zuletzt zwar leicht auf die Konsumstimmung der Menschen in Deutschland gedrückt. Dennoch sind die Verbraucher nach Angaben der GfK -Konsumforscher nach wie vor bereit, ihre Geldbeutel für Anschaffungen zu öffnen.
«Zu der schwachen Entwicklung im ersten Quartal haben auch eine Reihe von Sonderfaktoren wie Streiks, die Grippewelle und Kalendereffekte beigetragen. Die Vorzeichen für die deutsche Konjunktur sind aber grundsätzlich gut», erläuterte der Geschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben.
Manche Ökonomen halten Wachstumsraten von mehr als 2 Prozent in diesem Jahr aber für schwierig. Die Bundesregierung rechnete zuletzt für das laufende Jahr mit einem Plus von 2,3 Prozent und für das kommende Jahr mit 2,1 Prozent. Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft in Deutschland um 2,2 Prozent gewachsen. Es war das stärkste Plus seit sechs Jahren.
«Der Aufschwung bleibt intakt»
«Der Aufschwung bleibt intakt», betonte das Bundeswirtschaftsministerium. Gerechnet werde mit einer Fortsetzung, «wenn vielleicht auch mit etwas angepasster Dynamik».
Sorgen bereiten schwelende Handelskonflikte. «Hierin liegt tatsächlich ein Konjunkturrisiko – ja letztlich sogar ein Risiko für Wachstum und Wohlstand», sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann jüngst.
Ähnlich sehen das Finanzexperten, deren Konjunkturerwartungen wegen politischer Risiken weiter getrübt bleiben. «Die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch die Vereinigten Staaten und die Befürchtungen einer weiteren Eskalation des Handelskonflikts mit den USA sowie weiter steigender Rohölpreise haben die Konjunkturerwartungen für Deutschland belastet», erläuterte der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach. (awp/mc/ps)