Neckarwestheim II (Bild) wird zusammen Emsland als letztes AKW abgeschaltet.
Berlin – In Deutschland ist der Atomausstieg bis 2022 und die Stilllegung von acht Atomkraftwerken endgültig beschlossene Sache. Der Bundesrat billigte am Freitag einstimmig das neue Atomgesetz, das nach der Unterschrift von Bundespräsident Christian Wulff in Kraft treten kann. Zugleich fordern die Länder Nachbesserungen bei der Gebäudesanierung.
Nach der Ablehnung des Gesetzes muss nun wohl im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eine Lösung gefunden werden. Die Länder wehren sich dagegen, dass sie Steuerausfälle durch eine Abschreibung von Kosten für energetische Gebäudesanierungen mittragen sollen. Die Mindereinnahmen können sich auf bis zu 1,5 Milliarden Euro über mehrere Jahre belaufen. Wer sein Haus energetisch saniert, kann bis zu zehn Prozent der Kosten jährlich von der Steuer absetzen. Mit einem Dämmen von Wänden und dem Austausch von Fenstern soll der Energieverbrauch gesenkt werden – in Gebäuden wird 40 Prozent der Energie verbraucht.
Kalt-Reserve noch offen
Zudem kritisieren einige Länder, dass die Förderung von ebenfalls 1,5 Milliarden Euro pro Jahr nicht ausreiche, um tatsächlich eine Sanierungsquote bei allen Gebäuden von zwei Prozent jährlich zu schaffen. Das Gesetz war das einzige beim Atom- und Energiepaket, dem der Bundesrat zustimmen musste. Die anderen sieben Energiegesetze, darunter das Atomgesetz, können wie geplant in Kraft treten. Bis September soll die Bundesnetzagentur entscheiden, ob eines der acht stillgelegten AKW für den Fall von Stromengpässen bis 2013 in Bereitschaft bleibt. Die stillgelegten Meiler sollen nach einer mehrjährigen Nachbetriebsphase, wo die Brennelemente abkühlen müssen, zurückgebaut werden.
Röttgen: «Entscheid von grosser Strahlkraft»
Mit dem Beschluss wird als Folge der Katastrophe von Fukushima die erst im Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung zurückgenommen. Die Reihenfolge der Abschaltung bei den neun verbleibenden Atommeilern sieht so aus: 2015 Grafenrheinfeld, 2017 Gundremmingen B, 2019 Philippsburg II, 2021 Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C sowie 2022 Isar II, Neckarwestheim II und Emsland. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) misst der deutschen Energiewende eine hohe aussen- und geopolitische Bedeutung bei. Wenn Deutschland als grosses Industrieland die Wende zu einer Versorgung mit erneuerbaren Energien schaffe, habe dies eine grosse Strahlkraft, sagte Röttgen im Bundesrat. «Dieses Projekt ist ein Bürgerprojekt.»
Rösler: «Wende solide durchgeplant»
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) betonte, die Wende sei solide durchgeplant und werde die Versorgungssicherheit garantieren. Neben dem Ausbau der Ökoenergien seien bis 2013 Kraftwerksbauten mit einer Kapazität von 13 Gigawatt geplant, bis 2020 sollten Kraftwerke mit weiteren 10 Gigawatt gebaut werden. Eine grosse Herausforderung sei der Netzausbau, bis 2022 brauche man bis zu 4000 Kilometer Leitungen. «Bisher sind die Netze der Flaschenhals, insbesondere bei der Nutzung der erneuerbaren Energien», betonte Rösler. Ein neues Netzausbaubeschleunigungsgesetz soll helfen, das Problem zu lösen.
Beck: «Energiewende zu zögerlich»
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) kritisierte die Pläne für die Energiewende als zu zögerlich. Hier müsse nachgebessert werden, sagte Beck im Bundesrat. «Wir brauchen ein entschiedenes Einstiegsszenario in regenerative Energien.» Als Beispiel nannte er eine zu geringe Förderung von Windkraft an Land. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte eine rasche bundesweite Suche nach einem Atommüll-Endlager. Der hoch radioaktive Müll müsse an dem Ort gelagert werden, der am besten geeignet und am sichersten sei. «Egal, wo er in Deutschland zu finden ist.» Bisher wird nur der Salzstock im niedersächsischen Gorleben erkundet. (awp/mc/upd/ps)