Deutschland: Druck auf Wulff zur Aufklärung steigt
Christian Wulff, angeschlagener deutscher Bundespräsident.
Berlin – Der Druck auf Bundespräsident Christian Wulff wächst – die Opposition sieht nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unter Zugzwang. Nach der versuchten Einflussnahme auf kritische Berichterstattung der «Bild»-Zeitung zur Kreditaffäre werden auch in der Koalition die Forderungen an Wulff immer lauter, sich nochmals zu erklären. Die SPD griff Wulff direkt an und verlangte eine Erklärung Merkels.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte hingegen, die Entschuldigung Wulffs bei der «Bild»-Zeitung zu akzeptieren. «Diese Entschuldigung wurde angenommen. Das sollte nun auch von allen respektiert werden», sagte er der «Süddeutschen Zeitung» vom Mittwoch.
Kein Einzelfall
Der umstrittene Anruf des Bundespräsidenten bei der «Bild»-Zeitung war offenbar kein Einzelfall. Am Dienstag wurde bekannt, dass Wulff schon im Sommer 2011 bei einer anderen Zeitung des Springer-Verlages versucht hatte, einen ihm unliebsamen Artikel zu verhindern. Sowohl das Bundespräsidialamt als auch die Bundesregierung schwiegen weiter zu der Affäre. Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt legte dem Bundespräsidenten indirekt eine Erklärung zu der versuchten Einflussnahme nahe. Baden-Württembergs FDP-Chefin Birgit Homburger forderte Aufklärung und Transparenz. Aus Sicht der SPD kann Wulff sein Amt nicht mehr unbefangen ausüben. «Die politische Schonfrist geht zu Ende», sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. «Wulff hatte drei Wochen Zeit die Vorwürfe zu entkräften. Das ist ihm nicht gelungen.»
SPD: Merkel soll sich erklären
SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil rief Bundeskanzlerin Merkel auf, sich zu den Vorwürfen gegen den Bundespräsidenten zu äussern. «Nun muss Frau Merkel erklären, ob Herr Wulff ihren Ansprüchen an sein Amt noch gerecht wird», sagte Heil der Tageszeitung «Die Welt» (Mittwoch). «Frau Merkel und die Union ducken sich weg. Dabei haben sie Herrn Wulff doch einst für dieses Amt vorgeschlagen.» Drei Wochen nach den ersten Enthüllungen wird aber auch in Kreisen der Unionsfraktion die Situation für Wulff als durchaus kritisch eingeschätzt. Trotz der jüngsten Vorwürfe ging man davon aus, dass Wulff die Affäre erstmal durchstehen will. Ein schneller Rücktritt des Staatsoberhaupts käme sehr überraschend.
Erfolglose Interventionen bei Medien
Wulff steht seit Mitte Dezember wegen seiner Kredite für den Kauf eines Eigenheimes in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident in der Kritik. Eine neue Dimension erhielt der Fall, nachdem bekannt wurde, dass der Bundespräsident persönlich durch einen Anruf bei «Bild»-Chefredakteur Kai Diekmann versucht hat, die erste Veröffentlichung der Zeitung zu den Krediten am 13. Dezember zu verhindern. Bei Springer-Chef Mathias Döpfner intervenierte er nach Angaben des Verlages ebenfalls erfolglos. Auch an die Springer-Mehrheitsaktionärin Friede Springer soll sich Wulff gewandt haben, wie die Online-Ausgabe des Magazins «Cicero» schrieb.
Auch «Welt am Sonntag» liess sich nicht beeindrucken
Bereits im vergangenen Sommer hatte Wulff nach einem Bericht von Welt Online vergeblich versucht, einen ihm unliebsamen Artikel zu verhindern. Die «Welt am Sonntag» plante damals einen Bericht über Wulffs Familiengeschichte. Der Bundespräsident habe telefonisch auch bei der Verlagsführung interveniert, einer der Autoren sei zum Gespräch ins Schloss Bellevue gebeten worden. Nach diesem Gespräch habe Wulff auch versucht, bei Döpfner zu intervenieren, sage Jan-Eric Peters, Chefredakteur der «Welt»-Gruppe, Spiegel Online. Ende Juni erschien in der «Welt am Sonntag» dennoch ein Stück über Wulffs Halbschwester.
Im Zusammenhang mit dem Mailbox-Anruf bei «Bild»-Chefredakteur Diekmann prüft die Berliner Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen Wulff wegen des Verdachts der Nötigung. Bei der Staatsanwaltschaft Hannover liegen mittlerweile mehr als 20 Anzeigen im Zusammenhang mit dem Privatkredit für Wulffs Haus vor. Einen Anfangsverdacht für eine Straftat gab es nach bisheriger Prüfung nicht. Strafanzeigen sind jederzeit möglich, jeder Bürger kann sie stellen.
Schlägt nun die Stunde von Ursula von der Leyen?
Hasselfeldt sagte im Deutschlandfunk, nur Wulff selbst könne den Sachverhalt aufklären. «Und das, denke ich, wird er auch tun.» Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Ursula von der Leyen lehnte jeden Kommentar zu den Vorwürfen gegen den Bundespräsidenten ab. Auf die Frage, ob sie bei einem Rücktritt des Staatsoberhaupts als Nachfolgekandidatin zur Verfügung stünde, sagte die Bundesarbeitsministerin am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin nur: «Das kommentiere ich nicht.» Auch auf die Frage, wie sie das Krisenmanagement Wulffs bewerte, wollte sie sich nicht äussern. Von der Leyen war im Jahr 2010 nach dem Rücktritt von Horst Köhler auch als mögliche Bundespräsidentin im Gespräch. Dann wurde es Wulff.
Ermittlungen gegen früheren Wulff-Sprecher
Ein Fall für die Justiz könnten einem Zeitungsbericht zufolge möglicherweise die angeblichen Gratisurlaube des früheren Wulff-Sprechers Olaf Glaeseker werden. Nach einem Bericht der «Neuen Presse» (Dienstag) aus Hannover prüft die dortige Staatsanwaltschaft, ob gegen ihn ein Anfangsverdacht wegen Vorteilsnahme vorliegt. Das sagte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde der Zeitung. Wulff hatte seinen langjährigen Sprecher kurz vor Weihnachten ohne Angaben von Gründen entlassen. (awp/mc/ps)