München – Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft haben sich im Mai deutlich eingetrübt. Das Ifo-Geschäftsklima fiel um 1,3 Punkte auf 97,9 Zähler, wie das Forschungsinstitut am Donnerstag in München mitteilte. Damit erreichte der Wert den tiefsten Stand seit Ende 2014. Analysten hatten hingegen einen nur leichten Rückgang des wichtigsten deutschen Konjunkturbarometers auf 99,1 Punkte erwartet.
«Der deutschen Konjunktur fehlt es weiter an Schwung», kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Bis auf den Bausektor trübte sich das Klima in allen betrachteten Bereichen ein. Einen deutlichen Dämpfer erhielt der Dienstleistungssektor. Der Indikator zur aktuellen Lage sank auf den tiefsten Stand seit April 2013.
Handfeste Auswirkungen der Handelskonflikte
Der Rückgang des Ifo-Geschäftsklimaindex sei gewissermassen «vorprogrammiert» gewesen, schrieb Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Die fortwährenden Handelskonflikte zwischen den USA und China belasteten nicht nur die Stimmung, sondern hätten auch handfeste Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf der Unternehmen. Aussenwirtschaftlich gebe es derzeit kaum oder zu wenig Rückenwind für die deutsche Industrie. «Die Hoffnungen beruhen nun auf einer wirtschaftlichen Belebung im zweiten Halbjahr», so Gitzel.
Brexit verunsichert
Insgesamt habe auch die Brexit-Verunsicherung belastet, kommentierte Patrick Boldt von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Eine deutliche Belebung der konjunkturellen Dynamik zeichne sich zunächst nicht ab. Boldt bleibt vorsichtig optimistisch: «Mittelfristig rechnen wir jedoch mit einer Erholung der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten.»
Michael Holstein von der DZ Bank zeigte sich enttäuscht. «Die Messzahl für die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage ist im Mai regelrecht abgestürzt», schrieb er in einer ersten Reaktion. Nun habe sich die Stimmung auch im Handel und im Dienstleistungssektor verschlechtert – Bereiche, die bisher stabil gewesen seien. Damit verdüstere sich der Ausblick für das zweite Quartal, denn vom Aussenhandel seien im derzeitigen Umfeld keine Impulse zu erwarten. «Wenn sich die Stimmung in der Binnenwirtschaft weiter eintrübt, drohen die Antriebskräfte für die deutsche Konjunktur zu erlahmen», warnte Holstein.
Am Devisenmarkt stand der Euro am Vormittag unter Druck. Auch die Einkaufsmanagerindizes für Dienstleistungen und die Industrie hatten sich in Deutschland verschlechtert. Sie werden vom Londoner Forschungsinstitut IHS Markit erhoben. Die Unternehmensstimmung in der Eurozone hellte sich hingegen leicht auf.
Das Ifo-Geschäftsklima wird aus der Befragung von etwa 9000 Unternehmen errechnet. Der Indikator wird als gute Schätzgrösse für das künftige Wirtschaftswachstum angesehen. (awp/mc/pg)