Deutschland: Geschäftsklima trübt sich deutlich ein
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.
München – Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im Juli überraschend deutlich eingetrübt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sei von 114,5 Punkten im Vormonat auf 112,9 Punkte gefallen, teilte das Ifo Institut am Freitag in München mit. Von dpa-AFX befragte Volkswirte hatten lediglich mit einem Rückgang auf 113,5 Punkte gerechnet.
Die Lagebeurteilung und die Erwartungshaltung verschlechterten sich ebenfalls. Im Vormonat hatte sich der Indikator noch aufgehellt.
«Wirtschaft sonnt sich noch immer in einem Sommerloch»
Die Lagebeurteilung sank wie erwartet von 123,3 auf 121,4 Punkte. «Die Unternehmen sind mit ihrer aktuellen Geschäftslage nicht mehr ganz so zufrieden», kommentierte Ifo-Chef Hans-Werner Sinn die Zahlen. Ihre Einschätzung ist aber genauso günstig wie während des Frühjahrs. Die Beurteilung der Geschäftserwartungen fiel von 106,2 Punkten im Vormonat auf 105,0 Punkte. Volkswirte hatten lediglich einen Rückgang auf 105,1 Punkte erwartet. «Wenngleich die Geschäftserwartungen nach unten weisen, sonnt sich die deutsche Wirtschaft noch immer in einem Sommerloch», schreibt Sinn.
Italien-Sorgen belasten
Die jüngsten Sorgen um Italien haben nach Einschätzung der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) das Klima belastet. «Gleichwohl gilt zu beachten, dass das Ifo-Geschäftsklima weiterhin auf sehr hohem Niveau liegt», hiess es in einer Analyse der Bank. Damit grenze sich der Ifo-Geschäftsklimaindex von anderen Stimmungsindikatoren ab. Zuvor hätten Indikatoren wie zum Beispiel der ZEW-Index auf eine deutliche Verlangsamung der konjunkturellen Dynamik in Deutschland hingewiesen. Die Märkte reagierten kaum auf die Daten: Der Euro fiel leicht unter die Marke von 1,44 Dollar. Das Ifo-Geschäftsklima ist das wichtigste Stimmungsbarometer für die deutsche Wirtschaft. Es basiert auf einer monatlichen Umfrage bei rund 7.000 Unternehmen.
Ifo-Chef: Rettungspaket verschiebt Probleme in die Zukunft
Nach dem Euro-Sondergipfel hat ifo-Chef Sinn das neue Rettungspaket für Griechenland kritisiert. «Erstmal ist Ruh – man verschiebt aber die Probleme auf die Zukunft», sagte Sinn am Freitag im Bayerischen Rundfunk (Bayern2) in München. Das Rettungspaket habe zwar Kreditcharakter, langfristig gesehen handele es sich aber um Geschenke. «Wir können kein Europa machen, wo einzelne Länder andere dauerhaft finanzieren.» Ähnlich beurteilte dies der Wirtschaftsexperte Bert Rürup – das Paket sei eine Art «Staatsbankrott light». Der Online-Ausgabe des «Manager Magazins» (Freitag) sagte er: «Man hat sich mit dem Gipfelergebnis erneut Zeit gekauft, mehr nicht.» Griechenlands Wachstumsschwäche sei weiter ungelöst. «Das Vertrauen der Märkte wird erst zurückkehren, wenn auch bei diesem Problem Fortschritte erkennbar sind.»
Umstrittener Rettungsfonds
Besonders kritisch äusserte sich Ifo-Präsident Sinn zum Rettungsfonds EFSF, der künftig Staatspapiere der verschuldeten Euroländer kaufen darf. «Wenn da keine Grenzen eingebaut werden, dann bedeutet das, dass über kurz oder lang die Staatsschulden Europas dieser Gemeinschaftseinrichtung übertragen werden und dass wir für die Staatsschulden der anderen Länder gemeinschaftlich haften.» Ökonom Rürup sieht in der Aufgabenerweiterung des Rettungsschirms dagegen die Möglichkeit, stärker vor Spekulationen gegen einzelne Eurostaaten gewappnet zu sein. «Wenn es aber über den EFSF zu einer Art Haftungsverbund zwischen den Staaten kommt, wird es ziemlich aussichtslos, gegen die gesamte Eurozone zu spekulieren.» (awp/mc/upd/ps)