Deutschland: Robuste Stimmung in der Wirtschaft
Berlin – Die Ökonomen überbieten sich für das kommende Jahr mit düsteren Konjunkturprognosen, die Unternehmen und Verbraucher sind viel optimistischer. So beurteilen die Firmenchefs in der aktuellen ifo-Konjunkturumfrage nicht nur ihre gegenwärtige Lage positiv, sondern blicken auch mit Zuversicht auf die kommenden Monate. Die Verbraucher lassen sich von schlechten Nachrichten ebenfalls nicht beirren.
Doch die Wirtschaftsforschungsinstitute warnen: Für das Gesamtjahr 2012 ziehen dunkle Wolken am Konjunktur-Himmel auf. Zwei Institute schrauben ihre Erwartungen deutlich nach unten und sehen grosse Rezessionsrisiken. Eine schrumpfende Wirtschaft in Deutschland erwarten sie im kommenden Jahr aber nicht.
RWI senkt Prognose für 2012
So erwartet das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) statt eines noch im September prognostizierten Wachstums von 1,0 Prozent nun nur noch einen Zuwachs von 0,6 Prozent. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) korrigierte seine Wachstumserwartung für 2012 am Dienstag gar von 0,8 auf 0,5 Prozent nach unten. Die Forscher sehen zwar hohe Risiken, erwarten aber dennoch keine Rezession in Deutschland – wenn sich die Lage an den Finanzmärkten beruhigt und sich eine Lösung der Schuldenkrise abzeichnet.
In einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young wird für Deutschland ein Plus von 0,9 Prozent erwartet, für die Eurozone im ersten Halbjahr jedoch eine leicht schrumpfende Wirtschaftsleistung und unterm Strich im Gesamtjahr nur ein mageres Plus in den Euro-Ländern von 0,1 Prozent. Für die deutsche Wirtschaft hätte eine solche Entwicklung auf dem wichtigsten Abnehmermarkt unmittelbare Folgen. So begründen Experten den Pessimismus auch mit den ungünstigen Exportaussichten. Fachleute sind sich einig, dass die Exportwirtschaft nach zwei Boom-Jahren nun deutlich an Schwung verlieren wird.
Rösler bleibt optimistisch
In einer Analyse des Instituts für Makroökonomie (IMK) bei der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung gehen die Forscher sogar in Deutschland von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent aus. Optimistisch zeigte sich aber Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP): Die deutsche Wirtschaft ist nach seiner Einschätzung gut gerüstet für die anstehenden konjunkturellen Herausforderungen.
Den Jahreswechsel gehen auch Deutschlands Unternehmer zuversichtlich an: Nachdem sie dem ifo-Geschäftsklimaindex bereits im November überraschend zu einem Anstieg verholfen hatten, hoben sie auch im Dezember den Daumen. Das wichtige Konjunkturbarometer stieg um 0,6 auf 107,2 Punkte. Die Einschätzung der aktuellen Lage ist unverändert gut. Deutlich nach oben gingen mit einem Sprung von 97,3 auf 98,4 Punkte die Erwartungen für die nächsten sechs Monate.
Ifo-Chef: «Deutsche Wirtschaft trotzt der Krise»
«Die deutsche Wirtschaft scheint dem Abschwung Westeuropas erfolgreich zu trotzen», sagte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. ifo-Konjunkturexperte Klaus Abberger führt die positive Stimmung der Unternehmer auf die gute Nachfrage im Inland und die realistische Einschätzung der Exporteure zurück. Allerdings sei Deutschland in Europa derzeit in einer Sondersituation und auch nicht vor Risiken gefeit, warnte Abberger.
Zahlreiche Volkswirte hatten wie bereits im November mit einem Rückgang des ifo-Index gerechnet. Von Juli bis Oktober war das Barometer viermal in Folge gesunken. Den positiven November-Wert hatten sie als Ausreisser gesehen – ähnlich wie er kurz vor der Pleite der Lehman-Bank 2008 zu beobachten war. Der Index kommt durch die Befragung von 7.000 Unternehmern zustande.
Privater Konsum weiter stabil
Auch der Privatkonsum in Deutschland bleibt trotz Euro-Dauerkrise und Rezessionsängsten konstant und stützt damit die hiesige Wirtschaft, wie das Marktforschungsunternehmen GfK mitteilte. Zum ersten Mal seit fünf Monaten stiegen zudem die Erwartungen der Bürger an die konjunkturelle Entwicklung. Dementsprechend rechnen die Konsumenten auch mit mehr Geld im eigenen Portemonnaie.
Trotz der positiven Entwicklung betonte GfK-Konsumforscher Rolf Bürkl jedoch: «Das ist weniger steigender Konjunkturoptimismus als sinkender Konjunkturpessimismus.» Die guten Rahmenbedingungen im Inland seien im Bewusstsein der Verbraucher diesmal nicht so stark von externen Einflussfaktoren wie der Schuldenkrise überlagert worden. «Ob dieser Trend anhalten kann, bleibt jedoch abzuwarten», sagte Bürkl in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. (awp/mc/ps)