Wiesbaden – In der deutschen Industrie ist der Auftragseingang im Juni deutlich stärker als erwartet gesunken. Der Auftragseingang sei 4,0 Prozent niedriger gewesen als im Monat zuvor, teilte das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mit. Experten sehen eine mögliche Ursache in der Furcht deutscher Unternehmen vor einem Handelskrieg und erwarten in diesem Jahr einen spürbar schwächeren Aufschwung.
Analysten wurden von der Stärke des Rückschlags überrascht. Sie hatten im Mittel zwar einen Rückgang beim Auftragseingang erwartet. Sie waren aber nur von einem leichten Dämpfer um 0,5 Prozent ausgegangen. Auch im Jahresvergleich zeigte sich eine enttäuschende Entwicklung. In dieser Abgrenzung fiel der Auftragseingang im Juni um 0,8 Prozent. Hier hatten Analysten hingegen einen Zuwachs um 3,4 Prozent erwartet.
Rückgang auf breiter Front
Der Auftragsrückgang zeigte sich in allen wichtigen Bereichen. Bei den Herstellern von Vorleistungsgütern lag der Auftragseingang laut Bundesamt um 2,3 Prozent niedriger als im Vormonat. Bei den Herstellern von Investitionsgütern gab es demnach einen Rückgang von 4,7 Prozent. Im Bereich der Konsumgüter fielen die Aufträge um 4,5 Prozent.
Ausserdem gab es laut Bundesamt Rückgänge aus dem Inland und aus dem Ausland. «Dabei verringerten sich die Auftragseingänge aus der Eurozone um 2,7 Prozent, die Auftragseingänge aus dem restlichen Ausland nahmen um 5,9 Prozent gegenüber Mai ab», hiess es weiter in der Mitteilung.
Seit Beginn des Jahres sind damit die Auftragseingänge in der Industrie in fünf von sechs Monaten gefallen. Nur im Mai hatte es eine kurzzeitige Gegenbewegung gegeben. «Die Auftragseingänge enttäuschen massiv», kommentierte Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank die Juni-Daten. Er sieht eine mögliche Ursache für den Dämpfer in der Furcht vor einem Handelskrieg. Dieser sorge «für eine gewisse Zurückhaltung bei den Neubestellungen».
Talboden noch nicht erreicht
Für den Experten Ralph Solveen von der Commerzbank ist in der deutschen Industrie noch kein Ende des Durchhängers in Sicht. Seiner Einschätzung nach dürfte sich die Schwächephase noch weit in das zweite Halbjahr hinziehen und das Wachstum der gesamten Wirtschaft bremsen.
Trotz der enttäuschenden Auftragsdaten sehen Ökonomen gemeinhin aber keine Hinweise auf einen konjunkturellen Abschwung. Zuletzt hatten Umfragen gezeigt, dass es bei der Stimmung in den deutschen Unternehmen Anzeichen einer Stabilisierung gibt. Experte Gitzel von der VP Bank wies ausserdem darauf hin, dass die deutschen Unternehmen nach wie vor neue Mitarbeiter einstellen. (awp/mc/ps)