Disney-Chef Bob Iger tritt zurück
Burbank – Beim Unterhaltungsriesen Walt Disney geht eine Ära zu Ende: Der langjährige Vorstandschef Bob Iger – einer der bekanntesten US-Wirtschaftsbosse – tritt mit sofortiger Wirkung zurück. Zum Nachfolger wurde Disney-Manager Bob Chapek ernannt, der zuletzt für die Vergnügungspark-Sparte zuständig war. Mit dem am Dienstag nach US-Börsenschluss verkündeten Spitzenwechsel lieferte Disney eine handfeste Überraschung, die viele Anleger und Analysten auf dem falschen Fuss erwischte. Die Wahl Chapeks wirft zudem Fragen auf.
Nach dem Start des Streaming-Services Disney+ glaube er, dass nun der optimale Zeitpunkt sei, das Amt an einen neuen Vorstandschef zu übergeben, erklärte Iger. Chapek ist seit 27 Jahren für Disney tätig, in den vergangenen fünf Jahren war er für das florierende Geschäft mit Themenparks und Resorts verantwortlich. «Bob wird der siebte Vorstandschef in Disneys fast 100-jähriger Geschichte sein, und er hat sich selbst als aussergewöhnlich qualifiziert erwiesen, das Unternehmen ins nächste Jahrhundert zu führen», lobte Iger.
Prägende Jahre
Igers Rücktritt kommt abrupt und unerwartet, auch wenn er schon lange seinen Ruhestand erwägt und es seit Jahren Spekulationen gibt, wer ihn mal ablösen könnte. Der 69-Jährige war rund 15 Jahre an der Konzernspitze, er hatte den Chefposten 2005 von Michael Eisner übernommen. Iger prägte den Entertainment-Giganten mit den Übernahmen von Studios wie Pixar, Marvel und Lucasfilm sowie grosser Teile des Konkurrenten 21st Century Fox. Er wird Disney noch bis Ende 2021 als geschäftsführender Verwaltungsratschef erhalten bleiben.
«Gewaltige Überraschung»
An der Wall Street sorgte der plötzliche Spitzenwechsel dennoch für Verblüffung, auch weil Disney keinen Nachfolger für Chapeks Posten präsentierte. «Es ist eine gewaltige Überraschung», sage Laura Martin vom Investmenthaus Needham & Co im Finanzsender Bloomberg TV. Meist versuchen börsennotierte Unternehmen, die Märkte sachte auf wichtige Personalwechsel vorzubereiten. Die Hauruck-Verkündung Disneys – des mit einem Börsenwert von über 230 Milliarden Dollar weltgrössten Unterhaltungskonzerns – stiess Anleger dementsprechend vor den Kopf. Die Aktie sank nachbörslich zeitweise um über vier Prozent.
Chapeks Wahl sorgt für Verwunderung
Zudem verwundert die Personalie Chapek durchaus einige Beobachter. Der 60-Jährige ist zwar seit fast 30 Jahren im Unternehmen, doch eigentlich dreht sich im Unterhaltungsgeschäft schon länger alles ums Streaming und nicht so sehr um Themenparks. Viele Experten hatten deshalb Kevin Mayer als Iger-Erbe auf dem Schirm gehabt. Der leitet Disneys Streaming-Services, ist auch schon seit mehr als zwei Jahrzehnten im Konzern, und wurde häufig als Thronprinz Igers gehandelt. Dass die Wahl nicht auf ihn fiel, ist umso erstaunlicher, da Disneys Angriff im Streaming-Markt gerade erst begonnen hat.
Disney+: Bereits 29 Millionen Kunden
Denn Igers letztes Grossprojekt als Vorstandschef war der Streaming-Service Disney+, der in den USA am 12. November Premiere gefeiert hatte. Mit dem Angebot eröffnete der Hollywood-Gigant die Jagd auf den Rivalen Netflix, der der klassischen TV- und Film-Industrie in den vergangenen Jahren viele Kunden abjagte. Der Start von Disney+ war ein Erfolg, in weniger als drei Monaten konnte der Streaming-Dienst dank niedriger Preise und beliebter Produktionen wie der «Star Wars»-Serie «The Mandalorian» fast 29 Millionen Kunden gewinnen. In der Schweiz soll der neue Service am 24. März starten.
Streaming-Offensive sorgt für Gewinneinburch
Chapek erwarten indes auch grosse Baustellen. So birgt die Streaming-Offensive hohe Risiken und verschlingt viel Geld, was im jüngsten Quartal für einen Gewinneinbruch sorgte. In den drei Monaten bis Ende Dezember fiel das Nettoergebnis aus dem fortgeführten Geschäft im Jahresvergleich um 23 Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar. Der Umsatz stieg indes um gut ein Drittel auf 20,9 Milliarden Dollar. Das eigentliche Sorgenkind des Konzerns ist jedoch der kriselnde Sportsender ESPN, der unter sinkenden Abos und Werbeeinnahmen leidet, aber nach wie vor einen grossen Teil der Erlöse einspielt. (awp/mc/pg)