Drei Jahre Krieg: Selenskyj fordert Sicherheitsgarantien
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Kiew / Moskau – Drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die USA und Europa zu Sicherheitsgarantien für einen möglichen künftigen Frieden aufgerufen. Selenskyj sprach sich in Kiew erneut für einen Nato-Betritt der Ukraine aus als günstigste Variante für die Sicherheit des Landes – und bot für den Fall der Aufnahme in das Bündnis auch seinen Rücktritt an. «Wenn es um Frieden für die Ukraine geht, dann bin ich bereit (meinen Posten zu verlassen)», sagte der Staatschef auf einer Pressekonferenz in Kiew.
An diesem Montag ist der dritte Jahrestag der Invasion, die Kremlchef Wladimir Putin am 24. Februar 2022 begonnen hatte. Derzeit herrscht in der Ukraine grosse Unsicherheit wegen des Kurswechsels der USA, bislang Kiews wichtigster Unterstützer, die unter Präsident Donald Trump nun einen Dialog mit Russland und ein schnelles Ende des Kriegs anstreben.
Der russische Präsident Putin würdigte indes beim nationalen Feiertag des Vaterlandsverteidigers am Sonntag in Moskau den Kampfgeist und den Siegeswillen seiner Armee. Er zeichnete Soldaten als Kriegshelden aus und stiess im Kreml mit Champagner auf das Militär an. Russische Analysten unabhängiger Medien hatten zuletzt berichtet, dass allein in Putins Armee seit Kriegsbeginn mindestens 95.000 Soldaten gefallen seien.
Während die Ukraine mit Nachdruck in die Nato strebt, ist es eines von Russlands Kriegszielen, den Beitritt unter allen Umständen zu verhindern. Selenskyj sieht keinen anderen Weg als den Schutz durch den Westen vor neuen russischen Angriffen. «Man muss das Maximale tun, um an einen dauerhaften und gerechten Frieden für die Ukraine heranzukommen», sagte Selenskyj in Kiew. «Das ist nur möglich durch eine Einheit aller Partner – wir brauchen die Stärke von ganz Europa, die Stärke Amerikas und die Stärke aller, die einen verlässlichen Frieden wollen.»
Selenskyj: Keine Verträge mit USA zulasten der Ukraine
Dazu ringt die Ukraine auch weiter mit den USA um ein Abkommen, bei dem Washington sich im Gegenzug für seine Hilfe einen Zugang zu den Bodenschätzen des Landes sichern will. Er sei sich mit US-Präsident Donald Trump einig, dass der Krieg so schnell wie möglich beendet werden müsse, sagte Selenskyj vor Journalisten in Kiew. Zugleich betonte er, dass es keine Vereinbarungen mit Washington zum Nachteil der Ukraine geben könne.
Die USA wollten ihre Unterstützung der vergangenen Jahre im Nachhinein teils zu Krediten erklären. «Wir können Finanzhilfen nicht als Schulden anerkennen», sagte Selenskyj dazu. Für weitere Hilfen könne die Ukraine aber bezahlen. Branchenexperten sind bei der Diskussion allerdings skeptisch, ob in der Ukraine überhaupt abbaubare Rohstoffe in den genannten Grössenordnungen von mehreren Hundert Milliarden Euro vorhanden sind.
Kiew spricht von bisher höchster Zahl an Drohnenattacken
Selenskyjs Appell fiel auf den Tag mit den bisher stärksten Drohnenattacken in dem Krieg. Die ukrainische Flugabwehr verzeichnete nach eigenen Angaben 267 russische Drohnenangriffe. 138 Flugkörper seien abgeschossen worden, meldete die Luftverteidigung in Kiew. Luftwaffensprecher Jurij Ihnat teilte bei Facebook mit, dass es noch nie seit Kriegsbeginn so viele Drohnenattacken in einer Nacht gegeben habe.
Bei einem russischen Raketenangriff in der südukrainischen Industriestadt Krywyj Rih starb nach Angaben der örtlichen Behörden ein Mann. Fünf Menschen seien verletzt worden.
«Der Krieg geht weiter», sagte Selenskyj auch mit Blick auf die Diskussion über mögliche Friedensverhandlungen. Die Ukraine brauche mehr Flugabwehrsysteme zum Schutz der Menschen. Allein in der vergangenen Woche habe Russland die Ukraine mit 1.150 Drohnen, mehr als 1.400 Gleitbomben und 35 Raketen angegriffen.
Starmer: Garantien für die Ukraine auch im Interesse der USA
Um die Sicherheitsgarantien soll es in der neuen Woche auch bei Treffen in den USA gehen. Der britische Premier Keir Starmer pochte vorab auf eine amerikanische Absicherung für die Ukraine. Das Land müsse bei Verhandlungen über seine Zukunft ein Mitspracherecht haben und brauche starke Sicherheitsgarantien, damit ein Frieden von Dauer sein könne, argumentierte der Labour-Politiker in einem Gastbeitrag in der Zeitung «The Sun».
«Ich glaube, dass Amerika Teil dieser Garantie sein muss.» Es sei im Interesse des Landes, schrieb Starmer vor seiner Reise nach Washington. «Ein Friedensabkommen, das Putin nicht davon abhält, erneut anzugreifen, wäre eine Katastrophe für alle.»
Starmer hatte zuletzt Bereitschaft signalisiert, Friedenstruppen in die Ukraine zu entsenden, falls dies nötig sein sollte. Manche europäische Länder unterstützen die Idee, andere halten die Debatte darüber für verfrüht.
Frankreichs Präsident Macron bei Trump – EU-Spitze in Kiew
Bereits am Montag wird Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei Trump erwartet. Für sie und andere europäische Politiker stellt das Zusammenspiel mit Trump einen Balanceakt dar: Einerseits wollen sie ihre anhaltende Unterstützung für die Ukraine beteuern, andererseits Trump nicht vor den Kopf stossen, der zuletzt mehrfach scharfe Kritik an Selenskyj laut werden liess und ein Treffen mit Kremlchef Putin anstrebt, um den Krieg zu beenden.
In Kiew selbst erwartet Selenskyj EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und zahlreiche andere Spitzenpolitiker am Jahrestag zu einem Solidaritätsgipfel. Er sagte, es würden Vertreter aus 13 Staaten in Kiew erwartet. Regierungen aus 24 Staaten sollten zugeschaltet werden. Das Treffen gilt als besonders wichtig, seit Trump klargemacht hat, dass die Ukraine nicht mehr auf umfangreiche Militärhilfen der USA setzen kann. In Brüssel werden zudem die EU-Aussenminister tagen, die formell auch ein neues Paket mit Russland-Sanktionen beschliessen wollen.
EU-Ratspräsident António Costa lud angesichts des drastischen Kurswechsels in der Ukraine-Politik der USA die Staats- und Regierungschef der EU für den 6. März zu einem ausserplanmässigen Treffen nach Brüssel. «Wir erleben einen entscheidenden Moment für die Sicherheit der Ukraine und Europas», schrieb Costa auf der Plattform X.
In Brüssel werden zudem die EU-Aussenminister tagen, die dabei auch den formellen Beschluss für ein neues Paket mit Russland-Sanktionen fassen wollen. Es sieht unter anderem neue Handelsbeschränkungen, Massnahmen gegen russische Medien und die sogenannte russische Schattenflotte vor.
Putin kündigt moderne Waffen für Armee an
Kremlchef Putin stellte den russischen Streitkräften nach drei Jahren Angriffskrieg moderne Waffen und Technik in Aussicht. Ausgehend von den Erfahrungen und Erfordernissen auf dem Schlachtfeld habe die Ausstattung der Soldaten mit neuen Waffen Priorität, sagte Putin in einer Videobotschaft zum Tag des Vaterlandsverteidigers. «Heute, inmitten der raschen Veränderungen in der Welt, bleibt unser strategischer Kurs zur Stärkung und Entwicklung der Streitkräfte unverändert», sagte Putin. Er kniete später in Moskau auch am Grab des Unbekannten Soldaten.
Russland hatte den Krieg am 24. Februar 2022 in den frühen Morgenstunden begonnen. Einschliesslich der bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim kontrolliert Russland inzwischen etwa 20 Prozent des ukrainischen Gebiets. Moskau hat wiederholt betont, die einverleibten Gebiete auch bei Friedensverhandlungen unter keinen Umständen wieder herzugeben. (awp/mc/ps)