Wolfsburg – VW und zwei wichtige Zulieferer haben ihre beispiellose Machtprobe beendet und arbeiten wieder zusammen. Europas grösster Autobauer und die beiden Unternehmen der Prevent-Gruppe einigten sich am Dienstag in Wolfsburg auf ein Ende der tagelangen Hängepartie, die bei VW zu einem teilweisen Produktionsstopp und Kurzarbeit für Tausende Mitarbeiter geführt hatte. Darüber, wie die Einigung im Detail aussieht, schweigen beide Seiten. Die gemeinsame Mitteilung nach den 20-stündigen Gesprächen umfasst nur vier Sätze.
Die beiden Zulieferfirmen würden die Belieferung von Volkswagen in Kürze wieder aufnehmen, sagte ein Volkswagen-Sprecher. Auch die Zuliefererseite bestätigte die Einigung zwischen VW und der Eastern Horizon Group, zu der die Lieferanten Car Trim GmbH und die ES Automobilguss gehören. Nach Angaben von VW bereiten die betroffenen VW-Standorte die Wiederaufnahme der Produktion vor, das Thema Kurzarbeit dürfte sich für die Werke in Emden, Wolfsburg, Kassel und Zwickau somit rasch erledigen. Angaben zum Zeitplan gab es nicht, es werde aber eine gewisse Zeit dauern, bis wieder alles normal laufe.
Produktionsstillstand beim wichtigen VW Golf
Zwischen Volkswagen und den beiden wichtigen Teilezulieferern tobte seit Tagen ein Streit um die Kündigung von Aufträgen. Die Hintergründe waren von Beginn an unklar und sind auch nach der Einigung nicht bekannt. Wegen des Lieferstopps standen bei dem Autobauer viele Bänder still: Der Konzern wartete auf Getriebeteile von ES Automobilguss und Sitzbezüge von Car Trim. Wegen des Streits konnten laut VW 27 700 Mitarbeiter in mehreren Werken nicht so arbeiten wie geplant. Allen voran stand im Stammwerk Wolfsburg die Produktion des wichtigsten VW-Modells Golf still.
VW-Aufsichtsrat und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte, er freue sich für die Beschäftigten, die nun wieder an ihre Arbeitsplätze zurück könnten. «Sie sind in den letzten Tagen Opfer eines Konfliktes geworden, der ohne Not auf ihrem Rücken ausgetragen worden ist», sagte der SPD-Politiker in Hannover – und kritisierte nochmals das Vorgehen der beiden Zulieferer. «Es bleibt bei mir ein Unbehagen über das Vorgehen der Prevent Group, die nicht bereit war, den in unserem Rechtsstaat vorgesehenen Weg einer Klärung vor den Gerichten zu gehen.» VW hatte vor Gericht bereits zwei einstweilige Verfügungen erwirkt, die die Firmen zur Lieferung verpflichteten.
«Die Lieferungen werden wieder aufgenommen und deshalb steht für uns ausser Frage, dass die Unternehmen vertragsgemäss weiter zusammenarbeiten», sagte ein VW-Sprecher. Wie lange die Verträge mit den beiden Zulieferern noch laufen, wollten weder VW noch die Unternehmen sagen, auch nicht, ob die bestehende Lieferverträge verlängert oder gar neuverhandelt wurden. Das Landgericht Braunschweig hatte in seinen Verfügungen Car Trim bis zum 5. Mai 2017 und ES Automobilguss bis zum 8. Februar 2018 zu Lieferungen verpflichtet. Offen ist, ob das die Laufzeit der Verträge spiegelt.
Autoexperte Dudenhöfer übt Kritik
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht nach dem Streit beide Seiten beschädigt. «Der eigentliche Grund für die Posse liegt aber auf dem VW-Einkaufssystem», sagte der Wirtschaftsprofessor. Besonders kritisiert Dudenhöffer, dass VW sich bei manchen Teilen auf nur einen Zulieferer verlasse. Nach dpa-Informationen hat der Autobauer bei einem der fraglichen Teile des Streits nur einen Lieferanten gehabt. Das Prinzip ist in der Branche bekannt als «Single Sourcing» (Einzelquellenbeschaffung). «Wenn man einen Fall findet, bei dem ein Weltmarktführer mit mehr als 600 000 Beschäftigten sich von einer 500 Mann-Bude abhängig macht, sprechen alle Regeln der Statistik dafür, dass mehr solcher Fälle im Karton schlummern», sagte Dudenhöffer.
Der Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, griff VW vor allem wegen der Beantragung von Kurzarbeitergeld scharf an. «Unabhängig von rechtlichen Fragen bleibt ein fader Beigeschmack: Dass VW hier die Allgemeinheit für eigene Versäumnisse zur Kasse bittet, hat nichts mit verantwortungsvollem unternehmerischem Handeln zu tun», sagte Fuchs und forderte, die gesetzlichen Grundlagen für die Kurzarbeit zu überarbeiten. «Wir müssen prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld gesetzlich präziser gefasst werden müssen.» Es sei schliesslich nicht um eine wirtschaftliche Entwicklung, sondern um einen Machtkampf gegangen, der auf falsche Management-Entscheidungen zurückgehe. (awp/mc/pg)