Erdogan kündigt Boykott von US-Elektronik an

Erdogan kündigt Boykott von US-Elektronik an
Recep Tayyip Erdogan, türkischer Staatspräsident.

Istanbul – Als Reaktion auf Sanktionen und Strafzölle der USA gegen die Türkei hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan einen Boykott elektronischer Produkte aus den USA angekündigt. Die Türkei werde in Zukunft qualitativ hochwertige Waren produzieren und diese auch exportieren. «Wir werden Amerikas elektronische Produkte boykottieren», sagte Erdogan bei einer Rede vor Anhängern seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara am Dienstag. «Wenn sie (die USA) iPhones haben, dann haben wir Samsung .»

Im Streit um einen in der Türkei festgehaltenen US-Pastor hatte US-Präsident Donald Trump am Freitag verkündet, einige Strafzölle gegen die Türkei zu verdoppeln. Zuvor hatten die USA bereits zwei Minister mit Sanktionen belegt. Die Lira, die seit Monaten schwächelt, ging am Freitag und Montag in den freien Fall.

Insgesamt war die Rede Erdogans aber gemässigter als die Ansprachen in den vergangenen Tagen. Die Lira hatte am Morgen leicht zugelegt, nachdem am Montag die Zentralbank und andere Regierungsbehörden erste Notfallmassnahmen gegen den rasanten Lira-Verfall ergriffen hatten. Ausserdem will Finanzminister Berat Albayrak am Donnerstag per Telefon-Konferenz mit Investoren unter anderem aus den USA und Europa sprechen.

«Eines der stärksten Bankensysteme der Welt»
Erdogan versicherte in seiner Rede, dass die Türkei «eines der stärksten Bankensysteme der Welt» habe. Zwei wichtige türkische Wirtschaftsverbände, der Unternehmerverband TÜSIAD und die Union der Kammern und Börsen in der Türkei (TOBB) erklärten am Dienstag ebenfalls, die Wirtschaft der Türkei stehe auf einem stabilen Fundament. Sie forderten aber auch sofortige Massnahmen von der Regierung in Ankara und betonten, die Beziehungen zu «unserem wichtigsten Wirtschaftspartner», der Europäischen Union, müssten gestärkt werden.

Der deutsche Grünen-Politiker Cem Özdemir rief die Bundesregierung unterdessen dazu auf, die Währungskrise in der Türkei zu nutzen, um Einfluss auf das Land zu nehmen. Man müsse mit Erdogan «Tacheles reden und klare Bedingungen stellen, ihm klarmachen, dass es keine Leistung ohne Gegenleistung gibt», sagte er im Interview mit NDR Info. Erdogan müsse seine Politik ändern und etwa alle zu Unrecht Inhaftierten freilassen. Özdemir sagte zudem, dass Erdogan die Krise in der Türkei verschärfe, «weil er nicht auf die Wirtschaftsexperten hört».

Seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 sind auch Dutzende Deutsche aus politischen Gründen festgenommen worden. Nach Angaben aus der vergangenen Woche sind sieben von ihnen weiterhin in Haft. Der prominenteste, der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel, war im Februar freigelassen worden.

Staatsempfang in Berlin
Die deutsche Bundesregierung will Erdogan Ende September zu einem Staatsbesuch empfangen. In Deutschland regt sich jedoch Widerstand. FDP-Chef Christian Lindner sagte der Deutschen-Presse Agentur, ein grossangelegter Staatsbesuch wirke «wie ein Propagandasieg» für Erdogan. Er werde damit aufgewertet in seinen Bemühungen, «aus seinem Land eine Präsidialdiktatur zu machen». Besser wäre ein reiner Arbeitsbesuch.

Erdogan war Ende Juni als Staatspräsident wiedergewählt worden. Im neu eingeführten Präsidialsystem geniesst er weitreichende Vollmachten und kann mit Dekreten regieren. (awp/mc/ps)

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