Ermittler nehmen in Diesel-Affäre auch Porsche-Mitarbeiter ins Visier
Stuttgart – Im Zuge der Abgas-Affäre rückt nun auch die Volkswagen-Tochter Porsche stärker ins Visier der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Die Behörde nahm Ermittlungen wegen einer möglichen Manipulation der Abgasnachbehandlung an Diesel-Fahrzeugen von Porsche auf, wie ein Sprecher am Montag mitteilte. Sie richteten sich gegen unbekannte Mitarbeiter des Autobauers und eines US-Tochterunternehmens. Es werde der Vorwurf des Betrugs und der strafbaren Werbung geprüft. Nähere Angaben machte die Staatsanwaltschaft zunächst nicht. Sie hatte im April 2016 Vorermittlungen aufgenommen.
Porsche kündigte an, mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten. Das Unternehmen nehme die Prüfungen der Staatsanwaltschaft ernst und werde alles dafür tun, um die Angelegenheit vollumfänglich und schnellstmöglich aufzuklären, sagte ein Sprecher. «Unabhängig von der jetzigen Entscheidung der Staatsanwaltschaft hat Porsche schon zuvor das Gespräch mit der Staatsanwaltschaft Stuttgart gesucht und gefunden, steht mit ihr im Austausch und unterstützt die Ermittlungen in jeder Hinsicht.» Der Mutterkonzern VW wollte sich auf Anfrage nicht äussern.
Porsche spielt bisher Nebenrolle
Im Abgas-Skandal spielte Porsche bisher eine Nebenrolle. Der Autobauer bezieht seine Dieselantriebe von der VW-Tochter Audi. Der Audi-Motor ist im Modell Cayenne verbaut. Nach der Entdeckung neuer auffälliger Diesel-Abgaswerte bei Audi war daher im Juni das Kraftfahrt-Bundesamt angewiesen worden, Untersuchungen am Porsche-Modell Cayenne durchzuführen. In Deutschland ist ausserdem der kleinere Porsche-Geländewagen Macan Teil eines «freiwilligen» Rückrufs von 630 000 Fahrzeugen verschiedener Marken, bei denen amtliche Zweifel an der Abgastechnik bestehen – aber nicht der Vorwurf einer illegalen Einrichtung erhoben wird.
Vergangene Woche war ein Audi-Manager auf Antrag der Staatsanwaltschaft München II festgenommen worden. Bis zu seiner Beurlaubung 2015 war er einer der führenden Audi-Motorenentwickler und ist offenbar stark in die Abgasaffäre verwickelt. Ihm werden Betrug und unlautere Werbung vorgeworfen. Ausserdem ist er einer von acht Mitarbeitern des VW-Konzerns, gegen den die US-Justiz Strafanzeige gestellt hat. Er sitzt in Untersuchungshaft und will mit den Behörden kooperieren.
Zahlreiche Ermittlungen
«Mein Mandant sagt aus», sagte sein Anwalt Walter Lechner der «Süddeutschen Zeitung» (Montag). «Er kooperiert mit der Staatsanwaltschaft, um seinen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts zu leisten.» Dem Bericht zufolge hat die Anklagebehörde Erkenntnisse, dass er dazu beigetragen hat, die US-Umweltbehörden jahrelang mit manipulierten Schadstoffwerten über den wahren Abgasausstoss von Diesel-Fahrzeugen zu täuschen. Lechner sieht die Verantwortung dafür aber nicht bei seinem Mandanten. «Fest steht jedenfalls, dass mein Mandant nicht die unternehmenspolitische Entscheidung hierfür treffen konnte und auch nicht getroffen hat.»
In Deutschland ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen Betrugsverdachts gegen fast 40 Beschuldigte, darunter der frühere VW-Vorstandschef Martin Winterkorn. Daneben gibt es in Europa unzählige Klagen von Aktionären und Autobesitzern gegen VW.
«Sehr glaubwürdig»
Einem Bericht der «Bild am Sonntag» zufolge hat Winterkorn mindestens zwei Monate vor Bekanntwerden des Diesel-Skandals von den Manipulationen erfahren. Ein VW-Abgasspezialist habe Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess am 27. Juli 2015 ausführlich die Betrugssoftware erklärt, mit der weltweit etwa elf Millionen Fahrzeuge manipuliert wurden, schrieb das Blatt. Die Zeitung beruft sich auf «Hunderte Zeugenbefragungen, FBI-Berichte, interne E-Mails und geheime Präsentationen».
Volkswagen wollte sich dazu mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äussern, auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig und das Bundesverkehrsministerium lehnten einen Kommentar ab. Der frühere Vorsitzende des Abgas-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Herbert Behrens (Linke), nannte die Aussagen des von der Zeitung zitierten Kronzeugen am Montag «sehr glaubwürdig».
Harsche Kritik
Nach Konzernangaben hat die VW-Führungsspitze um Winterkorn erst wenige Tage vor Bekanntwerden des Skandals in den USA am 18. September 2015 detailliert von den Manipulationen erfahren.
«Ein Konzernchef kann doch nie und nimmer von sich behaupten, das Ganze nur registriert zu haben, ohne sich die Hintergründe und Details erklären zu lassen», sagte Behrens. Die CDU in Niedersachsen warf den Vertretern der Landesregierung im VW-Aufsichtsrat Untätigkeit vor. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) müsse «seiner Rolle als Aufsichtsrat endlich gerecht werden»; ausserdem müsse das Kontrollgremium die Frage einer Schadenersatzklage gegen Winterkorn neu prüfen, forderte der CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann. (awp/mc/ps)