Israelische Raketenabfanganlage «Iron Dome».
Tel Aviv / Gaza-Stadt – Palästinenser im Gazastreifen haben am Donnerstag erneut den Grossraum Tel Aviv angriffen. In der Stadt Tel Aviv heulten am Morgen die Sirenen. Es war eine Serie dumpfer Explosionen zu hören.
Israels Armee hat vor einer möglichen Bodenoffensive im Gazastreifen 20’000 Reservisten eingezogen. Armeesprecher Peter Lerner sagte am Donnerstag, dabei handele es sich um die Hälfte der Reservisten, deren Mobilisierung Israels Regierung gebilligt habe. Eine Bodenoffensive im Gazastreifen sei jedoch die «letzte Option», betonte er. Man erwäge noch die Vor- und Nachteile eines solchen Einsatzes.
Die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen sind nach den Worten des Sprechers intensiver als während des letzten Gaza-Krieges im November 2012. Binnen 48 Stunden habe die Armee 750 Ziele angegriffen. Im Vergleich dazu seien vor knapp zwei Jahren binnen acht Tagen 1450 Ziele angegriffen worden. (awp/mc/ps)
68 Tote seit Beginn israelischer Offensive gegen Gazastreifen
Seit Beginn der israelischen Offensive gegen Ziele im Gazastreifen am frühen Dienstag sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza 68 Menschen getötet worden. Mehr als 400 seien verletzt worden, sagte der Ministeriumssprecher in der Nacht zum Donnerstag. Etwa zwei Drittel davon seien Zivilisten.
Am frühen Donnerstagmorgen seien sieben Zivilisten bei einem israelischen Luftangriff auf Chan Junis im südlichen Gazastreifen ums Leben gekommen, berichteten Sanitäter und Sicherheitskräfte. Die Hamas sprach sogar von zehn Toten.
Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates
Der UN-Sicherheitsrat wird am Donnerstag um 1600 Uhr MESZ zu einer Sondersitzung zum Nahostkonflikt zusammenkommen, teilte die UN-Vertretung Ruandas, die derzeit den monatlich rotierenden Vorsitz im Rat innehat, am Mittwoch (Ortszeit) per Kurznachrichtendienst Twitter mit. Zunächst werde UN-Generalsekretär Ban Ki Moon das mächtigste UN-Gremium über die aktuelle Situation im Nahen Osten informieren. Danach werde der Rat hinter verschlossenen Türen beraten. Mehrere arabische und islamische Staaten hatten eine solche Dringlichkeitssitzung zuvor beantragt.
Es gilt als unwahrscheinlich, dass der UN-Sicherheitsrat in dem Konflikt auf einen Nenner kommt. Die USA, die als ständiges Mitglied ein Vetorecht haben, stellten sich hinter Israel, forderten aber zugleich Israelis und Palästinenser zur Mässigung auf. «Es ist ein grosser Unterschied zwischen Raketenangriffen einer Terrororganisation in Gaza und dem Recht Israels, sich zu verteidigen», sagte Aussenamtssprecherin Jen Psaki am Mittwoch in Washington.
Raketen und Bomben hüben und drüben
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einem «Krieg» gegen die Bevölkerung im Gazastreifen und einem «Völkermord». Seine im Westjordanland verwurzelte Fatah bildet mit der radikalen Hamas eine Einheitsregierung.
Die extremistischen Al-Kassam-Brigaden erklärten, sie hätten in den vergangenen 48 Stunden 279 Raketen auf Israel abgefeuert. Andere militante Gruppen hätten mehr als 100 Raketen gestartet. Israelische Kampfflugzeuge hätten in den zwei Tagen der Offensive mehr als 75 Häuser in dem Gebiet an Mittelmeer bombardiert.
Das israelische Militär erklärte nach einem Bericht der Zeitung «Times of Israel» vom frühen Donnerstagmorgen, es seien bisher in anderthalb Tagen mehr Ziele getroffen worden als während der achttägigen Offensive gegen die Hamas im Gazastreifen im November 2012. Bis Mittwochnachmittag seien 400 Tonnen Sprengstoff eingesetzt worden.
Ein israelischer Militärsprecher sagte nach Angaben des Onlineportals «Ynet», die Streitkräfte hätten noch Tausende potenzielle Angriffsobjekte mehr im Gazastreifen. «Wenn wir handeln müssen, werden wir nicht zögern», sagte Brigadegeneral Moti Almoz.
Wie die Zeitung «Jerusalem Post» am frühen Donnerstagmorgen online berichtete, seien seit Beginn der Militäroperation mehr als 500 Ziele attackiert worden.
Israel droht mit baldiger Bodenoffensive
Der israelische Präsident Schimon Peres erklärte in einem Interview des US-Senders CNN, dass er glaube, bald könne eine Bodenoffensive der Streitkräfte beginnen, falls der Raketenbeschuss seines Landes nicht eingestellt werde. Die Armee hatte die Mobilisierung von bis zu 40 000 Reservesoldaten bewilligt.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte nach einer Beratung mit Militärs: «Wir haben entschieden, die Angriffe auf die Hamas und andere Terrororganisationen in Gaza noch weiter zu verstärken.» Die Armee sei «auf alle Möglichkeiten vorbereitet».
EU, USA und auch UN-Generalsekretär Ban warnten vor einer weiteren Eskalation der Gewalt und forderten die Konfliktparteien zur Mässigung auf. Ziel müsse eine Waffenruhe sein. Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern unter US-Vermittlung waren im April gescheitert. (awp/mc/ps)