Moskau – Kreml-Berichte über einen angeblichen Anschlagsversuch auf Präsident Wladimir Putin haben in Russland für grosse Aufregung gesorgt. Dass zwei Drohnen bis auf das Kreml-Gelände gelangt seien, werfe Fragen über den Zustand der Luftverteidigung auf, schrieb etwa der Duma-Abgeordnete Sergej Mironow am Mittwoch auf Telegram. Zugleich forderte er die «Eliminierung der terroristischen Elite der Ukraine». Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin teilte mit: «Wir werden die Anwendung von Waffen fordern, die in der Lage sind, das terroristische Kiewer Regime zu stoppen und zu zerstören.»
Der Kreml hatte zuvor von einem versuchten Drohnen-Anschlag auf Putin berichtet, die Ukraine dafür verantwortlich gemacht und mit Vergeltungsmassnahmen gedroht. Das Nachbarland, das sich seit mittlerweile mehr als 14 Monaten gegen einen russischen Angriffskrieg verteidigt, wies eine Beteiligung hingegen zurück. Putin hielt sich den Angaben aus Moskau zufolge in der Nacht gar nicht im Kreml auf und blieb unverletzt.
Inszenierung oder nicht?
«In erster Linie hat der Vorfall die Schwäche der russischen Luftverteidigung demonstriert», kommentierte der russische Politologe Abbas Galljamow das Geschehen. Deshalb glaube er nicht an eine so genannte «False-Flag»-Aktion, die der Kreml selbst inszeniert habe. Wenn überhaupt, dann könne es sich seiner Einschätzung nach höchstens um eine Inszenierung durch russische Hardliner handeln, die Putin so überzeugen wollten, der Ukraine nun auch offiziell den Krieg zu erklären.
Unterdessen tauchten in Russlands sozialen Netzwerken weitere Videos auf, die den nächtlichen Zwischenfall auf dem Kreml-Gelände zeigen sollen. So ist in einem Clip etwa zu erkennen, wie ein verhältnismässig kleines Objekt auf die Kuppel des Senatspalasts zufliegt – und dann offenbar abgeschossen wird. Kurz ist ein Feuerball zu sehen, dann Funken, die zur Seite fliegen.
Für Verwunderung sorgten dabei bei Beobachtern zwei Gestalten, die während des Drohnen-Anflugs auf einer Seite die Kuppel hinauf zu klettern scheinen. Was es mit ihnen auf sich hat, war zunächst unklar.
Selenskyj überraschend in Helsinki
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bei einem Überraschungsbesuch in Finnland für die anhaltende Unterstützung aus dem Norden Europas bedankt. Er danke der gesamten finnischen Gesellschaft für die Hilfe für sein Land und sein Volk, sagte Selenskyj am Mittwoch auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö in Helsinki.
Selenskyj zeigte sich überzeugt, dass Kiew auch bald westliche Kampfjets erhalten werde. «Bald werden wir in die Offensive gehen und danach wird man uns Flugzeuge geben», betonte der 45-Jährige. Er erinnerte dabei daran, dass den Lieferungen von Haubitzen und Panzern auch erfolgreiche ukrainische Offensivaktionen vorangegangen seien. «Ich wünschte mir, dass es umgekehrt sei, dann wäre es leichter. Wir sind aber trotzdem dankbar», versicherte er.
Auf eine entsprechende Frage zu Kampfjetlieferungen äusserte sich Niinistö mit Blick auf die veralteten Hornet-Jets in den finnischen Beständen zurückhaltend. Selenskyj entgegnete mit einem Lächeln: «Aber uns gefallen Ihre Flugzeuge, nur damit Sie es wissen.»
Tanklager im Süden Russlands in Brand geraten
Im Süden Russlands nahe der von Moskau 2014 annektierten Halbinsel Krim war in der Nacht ein Grossfeuer in einem Tanklager ausgebrochen. «In der Ortschaft Wolna im Kreis Taman ist ein Treibstoffreservoir in Brand geraten», teilte der Gouverneur der südrussischen Region Krasnodar, Wenjamin Kondratjew, auf seinem Telegram-Kanal mit. Tote und Verletzte gebe es nicht. Der Brand sei allerdings als besonders schwer eingestuft worden.
Am Rande der Siedlung Wolna liegt ein grosses Umschlagterminal für Öl und Ölprodukte, die dann über das Schwarze Meer verschifft werden. Medienberichten zufolge ist eine Zisterne mit 20’000 Kubikmetern Treibstoff in Brand geraten. Rauch und Flammen seien bis auf die gegenüberliegende Halbinsel Krim zu sehen, hiess es. Das Feuer habe derzeit eine Fläche von 1200 Quadratmetern erfasst, teilte der Leiter der Kreisverwaltung Fjodor Babenkow mit. Die Feuerwehr versuche, die Flammen einzudämmen und ein Übergreifen auf andere Zisternen zu verhindern. Über die Ursachen des Brandes wurde bislang nichts bekannt.
Mehrere Anschläge im Süden Russlands
Allerdings haben sich in den letzten Tagen Anschläge auf Infrastrukturobjekte im Süden Russlands gehäuft. Am Wochenende wurde mittels einer Drohnenattacke ein Treibstoffreservoir auf der Krim gesprengt. In der westrussischen Region Brjansk sind zwei Züge nach Explosionen entgleist. Alle diese Regionen liegen in der Nähe zur Ukraine, gegen die Russland seit 14 Monaten einen Angriffskrieg führt. Eine Gegenoffensive der Ukraine zur Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete wird in naher Zukunft erwartet. Die Anschläge könnten Teil der Vorbereitung dieser Offensive sein.
Dutzende russische Drohnenangriffe in mehreren Regionen
Das russische Militär hat derweil ukrainischen Behördenangaben zufolge in der Nacht zum Mittwoch erneut mehrere Regionen des Landes mit Drohnen angegriffen. In der Region Kirowohrad habe es nahe der Gebietshauptstadt Kropywnyzkyj Einschläge bei einem Öllager gegeben, teilte der Gouverneur Andrij Raikowitsch am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal mit. «Es gab keine Opfer. Alle Einsatzkräfte haben rasch gehandelt.» Raikowitsch berichtete von drei Drohnen. Über die Höhe der Schäden gebe es noch keine Angaben, fügte er hinzu.
Laut dem ukrainischen Generalstab hat Russland aus dem Gebiet Brjansk und vom Ostufer des Asowschen Meeres aus insgesamt 26 Drohnen gestartet. Davon seien 21 abgefangen worden. Über der ukrainischen Hauptstadt Kiew konnten demnach alle Drohnen abgeschossen werden. Für Kiew war es bereits der dritte Drohnenangriff innerhalb der vergangenen sechs Tage.
Auch das Gebiet Dnipropetrowsk war nach Angaben der Gebietsverwaltung erneut Ziel von Angriffen. Sieben Flugkörper seien abgeschossen worden. Einer beschädigte ein Verwaltungsgebäude und löste dort einen Brand aus. (awp/mc/pg)