EU gibt Hilfen für Ukraine frei – neue Sanktionen drohen
Eindeutige Eskalation der Lage: Grossbritanniens Aussenminister William Hague.
Luxemburg – Die Europäische Union hat eine milliardenschwere Finanzhilfe für die Ukraine beschlossen. Die Aussenminister der 28 EU-Staaten stimmten am Montag in Luxemburg auch einer Streichung fast sämtlicher Zölle für Waren aus der Ukraine zu. Damit soll die wirtschaftliche Lage des Landes stabilisiert werden. Zugleich berieten die Minister über eine Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland. Tiefgreifende Wirtschaftssanktionen müssten vorbereitet werden, plädierten einige, um möglicherweise rasch in Kraft zu treten.
Die Finanzhilfe von einer Milliarde Euro soll zusammen mit bereits früher beschlossenen 610 Millionen Euro in den Haushalt der Ukraine fliessen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Einleitung politischer und wirtschaftlicher Reformen. Mit dem weitreichenden Verzicht auf Einfuhrzölle wird ein Teil des geplanten Assoziierungsabkommens vorweggenommen. Unter anderem verzichtet die EU auf 95 Prozent der Zölle auf Industrieprodukte und auf 82 Prozent der Zölle auf Agrarerzeugnisse.
Grossbritannien: Eindeutige Eskalation der Lage
Die Wirtschaftssanktionen waren von der EU im März angedroht worden, falls Russland die Lage in der Ukraine weiter destabilisieren sollte.
Der britische Aussenminister William Hague sprach von einer «eindeutigen Eskalation» der Lage durch die Angriffe bewaffneter prorussischer Kräfte auf Verwaltungsgebäude in der Ostukraine. «Es kann eigentlich überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass dies von Russland geplant und ins Werk gesetzt wurde», sagte er.
«Wir müssen hart bei unserer Forderung nach Deeskalation durch Russland bleiben», sagte der schwedische Aussenminister Carl Bildt. «Und wenn sie das nicht tun, dann müssen wir natürlich etwas tun. Und das werden wir auch tun.»
Russland behauptet, nicht hinter den Aktionen der bewaffneten Gruppen in der Ostukraine zu stehen. «Ich glaube, dass diese Erklärungen kein Fünkchen Glaubwürdigkeit haben», sagte Hague.
Parallelen zwischen der Krim und der Ostukraine
Sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn widersprach: «Ich bin noch immer überzeugt, nachdem ich Präsident (Wladimir) Putin gehört habe, dass die Russen die Ostukraine nicht destabilisieren und auch nicht besetzen wollen. Wenn das alles nicht stimmen würde, wäre die Glaubwürdigkeit der russischen Seite sehr, sehr stark beeinträchtigt.» Er verstehe aber, dass viel Aussenminister sich durch die Ereignisse in der Ostukraine an die Annexion der Krim erinnert fühlten. Er sei überzeugt, dass Sanktionen nicht weiterhelfen.
Der niederländische Aussenminister Frans Timmermans wies auf Parallelen zwischen der Krim und der Ostukraine hin: «Wenn etwas wie ein Pferd aussieht und wie ein Pferd herumläuft, dann ist es normalerweise ein Pferd und kein Zebra.» Es sei wichtig, die Verhängung der Wirtschaftssanktionen vorzubereiten. Die ukrainischen Stellen täten alles, um eine Verschlechterung der Lage zu verhindern. «Die haben nichts zur Eskalation beigetragen – das kommt alles von der anderen Seite, leider Gottes.»
«Was wir am Wochenende gesehen haben, war ganz sicherlich keine Deeskalation», sagte Irlands Aussenminister Eamon Gilmore. «Und man muss sehen, ob das am Wochenende Geschehene Teil einer Eskalation oder möglicherweise das Vorspiel für etwas Anderes ist.»
Weitere Konto-Sperrungen
Der schwedische Aussenminister Bildt und sein polnischer Kollege Radoslaw Sikorski forderten Russland auf, den bewaffneten Gruppen in der Ostukraine die Unterstützung zu entziehen und Zehntausende von russischen Soldaten aus der Nähe zur ukrainischen Grenze abzuziehen. Das Treffen der EU-Aussenbeauftragten Catherine Aston mit den Aussenministern Russlands, der USA und der Ukraine am Donnerstag in Genf sei «eine Gelegenheit für (den russischen Aussenminister Sergej) Lawrow, zu deeskalieren», sagte Bildt.
Die Minister beschlossen, vier weitere Namen auf die Liste der Personen zu setzen, deren Konten in der EU wegen der Veruntreuung ukrainischer Staatsgelder gesperrt werden. Unter anderem befindet sich bereits der frühere ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch auf dieser Liste mit jetzt 22 Namen. Die Identitäten der vier neuen Betroffenen wurden zunächst nicht mitgeteilt. (awp/mc/ps)