EU-Gipfel benennt Juncker als neuen Kommissionschef
Jean-Claude Juncker.
Brüssel – Der EU-Gipfel hat gegen den erbitterten Widerstand von Grossbritannien und Ungarn den konservativen Luxemburger Jean-Claude Juncker (59) als neuen Kommissionschef benannt. Die Staats- und Regierungschefs beendeten damit einen wochenlangen Streit in ihrer Runde. Die schweren Meinungsverschiedenheiten prägten auch das zweitägige Spitzentreffen, das am Freitag endete.
Das Mandat für die Kommissionsspitze läuft fünf Jahre. Die Abstimmung in der Gipfelrunde war ein Novum. Bisher wurde der Chef der mächtigen Behörde einvernehmlich von den Staatenlenkern bestimmt.
Cameron hält Junckers Wahl für falsch
Grossbritanniens Premier David Cameron hatte mehrfach erklärt, er halte den früheren Euro-Retter Juncker als ungeeignet für den Topposten. Der Christsoziale war bis Ende vergangenen Jahres 18 Jahre lang Premier Luxemburgs. Für Cameron und andere Kritiker ist er die Verkörperung einer alten und entrückten Union. «Ich habe den EU-Chefs gesagt, dass sie das neue Verfahren zur Auswahl des Kommissionspräsidenten bereuen könnten», teilte Cameron auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter mit. «Ich werde immer für britische Interessen eintreten.»
UKIP fordert sofortiges EU-Referendum in Grossbritannien
Die EU-feindliche britische Partei UKIP hat unmittelbar nach der Benennung Junckers ein sofortiges Referendum zum EU-Ausstieg Grossbritanniens gefordert. Das Referendum, das Premierminister David Cameron für 2017 in Aussicht gestellt habe, müsse noch vor der Parlamentswahl im nächsten Mai stattfinden, sagte der UKIP-Europaabgeordnete David Coburn der BBC. Die rechtspopulistische Partei, die den EU-Austritt Grossbritanniens zu einem wesentlichen Teil ihres Programms gemacht hat, hatte die Europawahl auf der Insel klar gewonnen.
Gute Wahlchancen
Vor seinem Amtsantritt muss Juncker noch am 16. Juli vom Europaparlament gewählt werden. Dafür sind mindestens 376 der insgesamt 751 Stimmen nötig. Da die Sozialdemokraten bereits signalisierten, dass sie Juncker wählen wollen, hat der luxemburgische Ex-Premier gute Chancen, auch diese Hürde zu überwinden. Junckers Europäische Volkspartei (EVP) ist die stärkste Fraktion in der Volksvertretung.
Juncker war aus der Europawahl am 25. Mai als stärkster Bewerber für den Kommissionsposten hervorgegangen. Cameron kritisierte beim Gipfel, dass sich die EU-«Chefs» das Recht zur Bestimmung der Kommissionsspitze aus der Hand nehmen lassen.
Umfassendes Personalpaket
Die EU-Kommission ist eine Art Geschäftsführung der EU – nur sie kann Gesetze vorschlagen. Die EU muss sich bis zum Herbst über ein umfassendes Personalpaket einigen. Dazu gehört die Nachfolge der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton und von EU-Ratschef Herman Van Rompuy. Besonders beim Posten des Aussenbeauftragten gibt es Zeitdruck. Deshalb wollen sich die Staatenlenker Mitte Juli wieder in Brüssel zu einer Sondersitzung treffen. Der irische Ministerpräsident Enda Kenny hatte den 17. Juli dafür angekündigt, Diplomaten sagten, es könne auch der 16. Juli sein.
Für die Neubesetzung der anderen Posten gibt es noch keine Festlegungen. Als neuen Ratschefin wird die sozialdemokratische dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt gehandelt. Als neue Aussenbeaufragte wird unter anderen die italienische Aussenamtschefin Federica Mogherini genannt. (awp/mc/pg)