Gipfel-Appell an Athen: Reformen, Sparen, Einheit
Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Euro-Finanzminister.
Brüssel – Die EU-Staats- und Regierungschefs verlangen vom krisengeschüttelten Griechenland entschlossene Reformen und schmerzliche Einschnitte zur Abwendung der drohenden Staatspleite. «Wir werden die politisch Verantwortlichen und die Bürger Griechenlands auffordern, sich der Lage gewachsen zu zeigen und zu tun, was zu tun ist», sagte der niederländische Regierungschef Mark Rutte am Donnerstag in Brüssel unmittelbar vor Beginn des EU-Gipfels.
Bundeskanzlerin Angela Merkel pochte darauf, dass in «einer solchen Situation alle zusammenstehen müssen in einem Land». Ein Treffen konservativer europäischer Parteien habe an den Athener Oppositionschef Antonis Samaras appelliert, «der historischen Verantwortung gerecht zu werden», berichtete die CDU-Vorsitzende. «Das ist in Portugal gelungen, das ist in Irland gelungen und deswegen habe wir dafür geworben, dass das auch in Griechenland gelingt.» Unmittelbar vor diesem Parteientreffen hatte Samaras die Pläne der Regierung in Athen noch abgelehnt. Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy machten zum Gipfelstart die Rettung des hoch verschuldeten Mittelmeerlandes zur Chefsache. Sie berieten bereits vorab in kleiner Runde mit anderen EU-Spitzen über Auswege aus der ganz Europa bedrohenden Krise.
Juncker: «Es gibt keinen Plan B»
Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker sagte, beim Gipfel werde es keine operativen Beschlüsse zu Griechenland geben. Der Fahrplan sei von den Euro-Finanzministern, die vom ihm geführt werden, bereits vorgegeben. Demnach soll erst am 3. Juli über neue Hilfen für Athen entschieden werden. «Es gibt keinen Plan B», sagte Juncker auf Fragen, was passiere, wenn das griechische Parlament nächste Woche das Spar- und Privatisierungsprogramm der sozialistischen Regierung blockiere. Athen kann im Juli nur dann mit der nächsten Kredittranche von 12 Milliarden Euro aus dem bisherigen Rettungspaket rechnen, wenn die Spareinschnitte nächste Woche von der Volksvertretung gebilligt werden. Fliesst das Geld nicht, ist Griechenland Mitte kommenden Monats zahlungsunfähig.
Brüssel will Opposition in Athen entgegenkommen
An dem Vorabtreffen im kleinen Kreis nahmen auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Jean-Claude Trichet sowie EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso teil, berichteten Diplomaten. Die Gipfelteilnehmer wollten ein Konjunkturprogramm mit Geldern aus EU-Fonds für Griechenland auf den Weg bringen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte vorgeschlagen, rund eine Milliarde Euro aus den EU-Strukturfonds zu mobilisieren. Damit will Brüssel auch der Opposition in Athen entgegenkommen. Diesen Vorschlag dürften die Staats- und Regierungschefs nach Diplomaten-Einschätzung bestätigen. Der einflussreiche CDU-Europapolitiker Elmar Brok sagte: «Wir müssen zeigen, dass es nicht nur um Sparen geht, sondern auch um Strukturveränderungen.»
Private Beteiligung auf freiwilliger Basis
Samaras blieb auch in Brüssel bei seiner Ablehnung des Regierungsprogramms. Bei einem Treffen der europäischen konservativen Parteien (EVP) sagte er: «Wir brauchen korrektive Massnahmen.» Regierungschef Giorgos Papandreou wolle Steuererhöhungen trotz Wirtschaftskrise durchsetzen – das schaffe Probleme. Dem an der Rettung beteiligten Internationalen Währungsfonds (IWF) wollten die EU-Chefs versichern, dass die weitere Finanzierung des Krisenlandes gegeben ist. Die USA, aber auch China und Russland fürchten, dass Europa seine Schuldenprobleme nicht in Griff bekommt und die Griechenland-Krise den Euro in Gefahr bringen könnte. In europäischen Hauptstädten sprechen die Finanzministerien mit privaten Gläubigern wie Banken und Versicherungen über eine Beteiligung an der Griechenland-Rettung. Ihr Beitrag kann nur freiwillig sein.
Stabi-Pakt: EU-Parlament verschiebt Abstimmung
Ein weiteres Gipfelthema, die Verschärfung der europäischen Wirtschaftsaufsicht und des Euro-Stabilitätspaktes, konnte der Gipfel allerdings nicht endgültig auf den Weg bringen. Das Europaparlament verschob am Donnerstag die Schlussabstimmung über die seit Monaten debattierte Gesetzgebung bis zum 5. Juli, berichteten Abgeordnete. Nun sind weitere Verhandlungen zwischen Europaparlament und EU-Ministerrat nötig. Merkel sagte zu dem ausstehenden Abschluss: «Ich bin sehr optimistisch, dass uns das in den nächsten Tagen gelingen wird.» Mit der neuen Wirtschafts- und Budgetaufsicht zieht die EU die Lehre aus den Schuldenkrisen in Griechenland und anderen Staaten. Defizitsünder sollen künftig früher und härter bestraft werden. (awp/mc/ss/upd/ps)