Grossbritanniens Premier David Cameron.
London – Die Blockadehaltung von Grossbritanniens Premierminister David Cameron in Brüssel hat in seiner Heimat gespaltene Reaktionen ausgelöst. Die Europakritiker in seiner eigenen Partei, den konservativen Tories, jubelten ihm am Freitag zu und forderten noch drastischere Schritte hin zu mehr Unabhängigkeit von der Europäischen Union. Die Opposition hingegen warf ihm vor, das Land zu isolieren und damit ein hohes Risiko einzugehen. Cameron hatte sich beim EU-Gipfel in der Nacht zum Freitag gegen eine gemeinsame Lösung für eine Rettung der Eurozone gestellt.
«David Cameron sollte Bündnisse knüpfen», schrieb der Vorsitzende der sozialdemokratischen Labour-Partei, Ed Miliband, beim Internetdienst Twitter. «Grossbritannien ist mit einem Mangel daran in den Gipfel gegangen und das Ergebnis zeigt: Wir haben nicht genug Einfluss.» Camerons Verhalten sei ein «Zeichen von Schwäche».
Isolierter denn je in der EU-Geschichte
«Grossbritannien ist heute stärker isoliert als je zuvor in seiner 35-jährigen Mitgliedschaft in Europa», sagte der Labour-Aussenpolitik-Experte Douglas Alexander. «Es ist nicht im nationalen Interesse Grossbritanniens, dass Entscheidungen getroffen werden, ohne dass wir auch nur mit am Tisch sitzen.»
Auch Koalitionspartner enttäuscht
Ungemach droht Cameron von Seiten des pro-europäischen Koalitionspartners, den Liberaldemokraten. Deren Vorsitzender Nick Clegg zeigte sich enttäuscht über die Tatsache, dass keine EU-weit einheitliche Lösung für mehr Haushaltsdisziplin gefunden werden konnte. Die Forderungen Camerons nach Schutzklauseln für Grossbritannien seien jedoch «bescheiden und vernünftig» gewesen.
Hague wehrt sich
Aussenminister William Hague wehrte sich gegen Vorwürfe, sein Land sei nun isoliert und aussen vor. «Das schliesst uns nicht aus dem Club aus», sagte er in einem Interview des Senders BBC in Brüssel. Man bleibe bei Fragen etwa der Aussenpolitik, der Position gegenüber Syrien und auch in Wirtschaftsfragen führend, erklärte Hague. Innerhalb der Europäischen Union gebe es immer wieder Bereiche, in denen einige Länder zusammenarbeiteten, andere nicht. Als Beispiele nannte Hague das Schengen-Abkommen und Kooperationen bei der Verteidigungspolitik. Cameron habe genau das getan, was er versprochen habe, und dafür gesorgt, dass Grossbritannien nicht noch mehr Eigenständigkeit an Brüssel verliere.
Lob vom Londoner Bürgermeister
Londons Bürgermeister und Camerons Parteikollege Boris Johnson lobte den Premier. London sorgt sich als Europas grösster Finanzhandelsplatz besonders um eine mögliche Finanztransaktionssteuer, die die Banken zum Abwandern nach Asien oder in die USA bewegen könnte. «David Cameron ist ein Coup gelungen», sagte Johnson dem Sender BBC.
Der Anfang vom Ende?
Der Vorsitzende der Europafeindlichen UK Independence Party forderte, dass Grossbritannien sich nun weiter von Brüssel lösen solle. «Ob David Cameron es weiss oder nicht, seine Entscheidung von letzter Nacht war der Beginn von Grossbritanniens Ausstieg aus der Union.» Er forderte erneut eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft des Königreichs.
Cameron hatte zuvor seine Blockadehaltung beim EU-Krisengipfel verteidigt. «Es war eine harte Entscheidung, aber die richtige. Was geboten wird, ist nicht im Interesse Grossbritanniens, deshalb habe ich nicht zugestimmt.»
«Wir wünschen ihnen alles Gute»
Zugleich betonte Cameron, dass sein Land auch in Zukunft die Gemeinschaftswährung Euro nicht einführen wolle. Ebenso habe London nicht die Absicht, dem Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen beizutreten. «Ich bin glücklich, nicht in Schengen zu sein, und glücklich, nicht den Euro zu haben.» Zum Vorhaben der anderen Staaten für einen intergouvernementalen Pakt zur Rettung des Euro sagte Cameron lapidar: «Wir wünschen ihnen alles Gute. (awp/mc/pg)