Keine Lösung im EU-Postenschacher – Gipfel auf Dienstag vertagt
Brüssel – Der EU-Sondergipfel hat bis Montagmittag keine Lösung bei der Suche nach dem neuen Spitzenpersonal für die Europäische Union gebracht und ist vertagt worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen wollen am Dienstag von 11.00 Uhr an erneut tagen, wie ein Sprecher von Ratspräsident Donald Tusk mitteilte. Damit geht der Postenschacher nach mehr als 20-stündigen Verhandlungen abermals in die Verlängerung.
Merkel und ihre EU-Kollegen hatten während der ganzen Nacht über die künftige Führung der Europäischen Union verhandelt. Zuletzt hatte es am Montag nach einer Annäherung ausgesehen. Der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans wurde am Montag weiter als Favorit für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten gehandelt, wie Diplomaten in Brüssel sagten. CSU-Vize Manfred Weber könnte demnach EU-Parlamentspräsident werden.
Zähes Ringen
Doch gab es offenbar Schwierigkeiten, alle Spitzenämter im Einvernehmen zu besetzen. Beim Gipfel wurden die bulgarische Weltbank-Vertreterin und frühere EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa für das Amt der EU-Ratspräsidentin sowie der belgische Regierungschef Charles Michel für den Posten des EU-Aussenbeauftragten genannt. Die Suche nach einem neuen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) stand diesen Angaben zufolge nicht im Fokus und könnte vertagt werden.
Vorrangig ging es um die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. EU-Ratschef Donald Tusk unterbrach den Gipfel dabei am Sonntagabend um 23.00 Uhr und führte während der ganzen Nacht Einzelgespräche mit den 28 Staats- und Regierungschefs. Erst am Morgen kamen sie wieder in grosser Runde zusammen.
Vertrakte Verhandlungslage
Die Verhandlungslage war vertrackt. Weber war Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), die bei der Wahl wieder stärkste Fraktion im Europaparlament wurde. Das Ergebnis war allerdings nicht berauschend. Timmermans führte die Sozialdemokraten auf Platz zwei. Weber beanspruchte daher die Juncker-Nachfolge für sich. Er stiess im Rat der Staats- und Regierungschefs auf Widerstand, auch im EU-Parlament bekam er keine Mehrheit für seine Wahl zusammen.
Mitte vergangener Woche hatte Merkel unter anderem mit Weber und den Vorsitzenden von CDU und CSU, Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder, sowie mit EVP-Chef Joseph Daul sondiert, welche Möglichkeiten nach dem schlechten Wahlausgang für den EVP-Kandidaten bestünden. Am Rande des G20-Gipfels in Japan führte die Kanzlerin dann am Wochenende Vorgespräche mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie den Regierungschefs der Niederlande, Mark Rutte, und Spaniens, Pedro Sánchez, und bahnte einen Kompromiss an.
Schier endloser Verhandlungsmarathon
Demnach war ein Sozialdemokrat als Kommissionschef vorgesehen. Im Kreis der konservativen Regierungschefs bekam Merkel am Sonntag dann allerdings heftig Gegenwind. Darauf folgte der schier endlose Verhandlungsmarathon.
Für den Posten des Kommissionspräsidenten muss beim Gipfel eine Einigung gefunden werden, die von mindestens 21 Staaten mitgetragen wird, die 65 Prozent der Bevölkerung der EU repräsentieren. (awp/mc/ps)