EU-Kommission verzichtet auf Schulden-Strafverfahren gegen Italien
Brüssel – Im Schuldenstreit mit Italien verzichtet die EU-Kommission zunächst auf ein Strafverfahren. Ein Defizitverfahren sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Mittwoch in Brüssel. Die italienische Regierung habe mit ihren Massnahmen zu Beginn der Woche reagiert. Italien kommt damit auch erst einmal um mögliche Milliardenstrafen herum.
Die Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega setzt teure Wahlversprechen wie die Einführung eines Grundeinkommens und die Absenkung des Renteneintrittsalters um. Die EU-Kommission verkündete vor etwa einem Monat daher, ein Strafverfahren sei wohl nötig.
IWF warnt vor weiterer Schwächung der italienischen Wirtschaft
Der Internationale Währungsfonds IWF warnte bereits, der Kurs der Regierung könne die Wirtschaft in Italien schwächen. Das Niveau der Sozialleistungen sei im Vergleich zu international bewährten Modellen sehr hoch. Die Rentenlast auf den Haushalt drohe weiter zu steigen. An den Märkten sorgte der wirtschaftspolitische Kurs Italiens in den vergangenen Monaten für Turbulenzen.
Massnahmen Italiens soll kontrolliert werden
Am Montagabend hatte das Kabinett in Rom allerdings ein Massnahmenpaket beschlossen, um dem drohenden Strafverfahren noch zu entgehen. Vorgesehen ist etwa, dass Ausgaben, die für das Bürgereinkommen und die Rentenreform veranschlagt worden waren und nicht angefallen sind, «eingefroren» werden.
Die Umsetzung dieser Massnahmen solle nun kontrolliert werden, sagte Moscovici weiter. Die Amtszeit der EU-Kommission endet allerdings im Herbst. Es ist unwahrscheinlich, dass sie den Streit mit der Regierung in Rom auf den letzten Metern doch noch eskalieren lässt.
Schuldenquote von 132 Prozent
Italien weist mit etwa 2,3 Billionen Euro eine der höchsten Staatsverschuldungen weltweit auf. Die Schuldenquote – also das Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftskraft – betrug 2018 mehr als 132 Prozent und war damit die zweithöchste in den 28 Staaten der Europäischen Union hinter Griechenland.
Erlaubt sind nach den sogenannten Maastricht-Kriterien lediglich eine jährliche Neuverschuldung von 3 Prozent sowie eine Gesamtverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Verstösst ein Land dagegen, ist es verpflichtet, Gegenmassnahmen einzuleiten, um die Verschuldung zu senken. Damit soll vor allem die Stabilität der Eurozone gesichert werden.
Italiens Regierung nahm die Botschaft aus Brüssel begeistert auf. Das Land habe ein Strafverfahren nicht verdient, sagte Vize-Premier Luigi Di Maio, «und die heutige Erklärung bestätigt Italien und diese Regierung». Regierungschef Giuseppe Conte sagte, die Regierung habe immer an die Solidität der Staatsfinanzen geglaubt. «Heute ist ein wichtiger Tag für Italien.» Europa erkenne Verantwortungsbewusstsein und Ernsthaftigkeit an. (awp/mc/pg)