Russlands Präsident Wladimir Putin. (Foto: the Presidential Press and Information Office)
Moskau / Brüssel – Nach dem umstrittenen Vollzug des Krim-Beitritts zu Russland übt die Europäische Union demonstrativ den Schulterschluss mit der Ukraine. Die EU-Staats- und Regierungschefs vereinbarten am Freitag eine engere Zusammenarbeit mit der Regierung in Kiew. Zugleich belegten sie nun auch das Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Sanktionen. Auch vom russischen Energie-Tropf will die EU sich künftig stärker lösen.
Zuvor nahm die international verurteilte Angliederung der von der Ukraine abtrünnigen Krim in Moskau ihre letzte Hürde. Auf Sanktionen reagierte Putin mit Spott. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einigte sich am Abend auf eine Beobachtermission in der Ukraine – Russland hatte diesen Schritt bislang blockiert.
EU und Ukraine unterzeichnen Abkommen
Auf ihrem Gipfel in Brüssel unterzeichneten die EU-Staats- und Regierungschefs und der Ministerpräsident der Ex-Sowjetrepublik, Arseni Jazenjuk, ein Abkommen zur engeren politischen Kooperation. Die Ukraine verpflichtet sich darin unter anderem zur Respektierung der Menschenrechte und der freien Marktwirtschaft. Der Handelsteil des Abkommens soll später unterschrieben werden.
Der Streit um eine West-Anbindung der Ukraine hatte in den vergangenen Monaten zu Unruhen in dem Land und Ende Februar letztlich zur Absetzung der Russland treuen Regierung geführt. Die prorussische Führung der Krim erklärte daraufhin die Unabhängigkeit des Gebiets, prorussische Bewaffnete brachten die Halbinsel unter ihre Kontrolle. Der Kreml sah die dort lebenden Russen bedroht. In einem international nicht anerkannten Referendum hatte eine grosse Mehrheit der Wähler vergangenen Sonntag für den Anschluss an Russland gestimmt.
Diversifizierung der Energiesysteme
Anders als der Westen, der von Annexion – also von einer gewaltsamen und völkerrechtswiderrechtlichen Aneignung – spricht, nennen die Russen den Krim-Anschluss eine Wiedervereinigung.
Auf dem Gipfel in Brüssel spielte die Frage der Diversifizierung der Energiesysteme eine grosse Rolle, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Abschluss des zweitägigen Treffens sagte. Deutschland bezieht mehr als ein Drittel seiner Öl- und Gas-Importe aus Russland. Zum russischen Versorger Gazprom und zu russischen Lieferungen insgesamt sagte sie: «Das Vertrauen ist schon erschüttert.»
EU weitet Strafmassnahmen aus
Es werde auch an Energielieferungen aus dem Westen in die Ukraine gearbeitet, die zuvor der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk gefordert hatte. «Europa hat gezeigt, dass es gemeinsam und geschlossen handeln kann», sagte Merkel.
Um Moskau für den Griff nach der Krim zu strafen, beschlossen die Gipfelteilnehmer, Strafmassnahmen auf ranghohe Putin-Vertraute auszuweiten. Auf der Sanktionsliste steht damit nun etwa auch Vize-Regierungschef Dmitri Rogosin. Inklusive der vergangenen Montag beschlossenen Sanktionen umfasst die Liste nun 33 Personen. Auch die USA haben Massnahmen wie Kontensperrungen verfügt.
OSZE-Beobachter dürfen in die Ukraine
Putin lässt dies kalt. Neben bereits verhängten Gegen-Sanktionen kündigte der russische Staatschef an, ein Konto bei der von Strafmassnahmen betroffenen Bank Rossija zu eröffnen.
Als wichtiges Signal für eine erhoffte Deeskalation gilt die Entsendung von OSZE-Beobachtern in die Ukraine. Nach längerem Widerstand stimmte auch Russland diesem seit Tagen von den USA, der EU und Deutschland geforderten Schritt zu. Die Beobachtermission mit mindestens 100 Experten soll unparteiisch Informationen über die Sicherheitslage und den Schutz von Minderheiten in der Ukraine sammeln. Die Krim gehört nicht zum Einsatzgebiet.
Putin: «Vor uns liegt viel Arbeit bei der Anpassung der Krim»
Putin hat die Eingliederung der Krim und der Stadt Sewastopol binnen kürzester Zeit perfekt gemacht und damit den Westen vor vollendete Tatsachen gestellt. Die noch fehlende Zustimmung des Moskauer Föderationsrates und seine Unterschriften unter die entsprechenden Gesetze erfolgten am Freitag. Nach russischem Recht ist die Halbinsel damit nun endgültig Teil des Riesenreichs.
«Vor uns liegt viel Arbeit bei der Anpassung der Krim, bei ihrer Angleichung an das Justizsystem der Russischen Föderation, in die russische Wirtschaft, in das Sozialsystem», sagte Putin bei einer feierlichen Zeremonie im Katharinensaal des Kreml. Die Kartographiebehörde will schon bald neue Landkarten genehmigen.
Befürchtungen der russischen Nachbarländer
Anschuldigungen, mit der Einverleibung der Krim gegen das Völkerrecht zu verstossen, wies Russlands Aussenminister Sergej Lawrow zurück. «Ich denke, das ist eine Beleidigung der Bürger auf der Krim, die ihre unveräusserlichen Rechte auf Selbstbestimmung in vollem Umfang genutzt haben», sagte er.
Die Ukraine und weitere Nachbarländer wie Polen befürchten, Russland könne seinen Einflussbereich noch weiter ausdehnen. Vor dem Hintergrund des russischen Vorgehens warnte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen vor einer Bedrohung von Nato-Staaten. «Niemand sollte die Entschlossenheit der Nato in Zweifel ziehen, falls eines ihrer Mitglieder bedroht würde», sagte er in Brüssel. Für den Fall, dass Moskau militärisch im Osten der Ukraine eingreift, stellte der britische Premierminister David Cameron bereits umfangreiche Wirtschaftssanktionen in Aussicht.
Auch nach dem Anschluss der Krim an Russland fordert die Ukraine von Moskau weiter den Abzug seiner Truppen von der Halbinsel. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte beide Seiten bei einem Besuch in Kiew auf, die Krise mit friedlichem Dialog zu lösen. (awp/mc/ps)