Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt sich mit ihren Kernforderungen durch.
Brüssel – Mit einem historischen Pakt schwenken die EU-Staaten auf einen strikten Sparkurs ein – doch Grossbritannien und überraschend auch Tschechien ziehen nicht mit. Auf dem EU-Sondergipfel vereinbarten lediglich 25 Staaten den Pakt für mehr Haushaltsdisziplin, der in der Euro-Krise die nervösen Finanzmärkte beruhigen soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte sich dabei mit ihren Kernforderungen durch und sprach nach siebenstündiger Beratung von «einer wirklichen Meisterleistung».
Deutschland hofft, dass der Pakt künftig verhindert, dass kriselnde Euro-Staaten gigantische Haushaltsdefizite anhäufen und vor der Pleite stehen – wie derzeit Griechenland. Im zwischenstaatlichen Fiskalvertrag verpflichten sich die 25 Länder zum Sparen und zur Einführung einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild. Sie akzeptieren eine schärfere Haushaltskontrolle der EU sowie härtere Strafen gegen Schuldensünder. Der Vertrag soll nach bisherigem Zeitplan im März unterschrieben werden und muss dann noch in den Mitgliedstaaten gebilligt (ratifiziert) werden. Er soll spätestens Anfang 2013 in Kraft treten.
Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, lobte den Fiskalpakt als ersten Schritt in Richtung einer gemeinsamen Finanz- und Haushaltspolitik. In den USA stiessen die Entscheidungen des EU-Gipfels im Kampf gegen die Schuldenkrisen dagegen auf Skepsis. «Europa bleibt eine Sorge», sagte der Sprecher des Weissen Hauses, Jay Carney, in Washington. «Es gibt positive Entwicklungen, aber es muss noch mehr Arbeit getan werden.»
«Aufseher» für Athen offenbar vom Tisch
Heftige Kritik musste Merkel dagegen wegen der Forderung aus Deutschland nach einem «Sparkommissar» für Griechenland einstecken. Im Kreis der EU-Partner hatte die Idee keine Chance. Selbst Merkels enger Verbündeter, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, sagte: «Man kann kein Land, egal welches es ist, unter Vormundschaft stellen.»
Merkel: «Gewisse Frustration über Griechenland»
Die Kanzlerin blieb aber dabei, dass mehr Kontrolle der griechischen Massnahmen zur Überwindung der Schuldenkrise nötig seien. Es gebe eine «gewisse Frustration» über die Entwicklung in Griechenland. «Die Frage stellt sich, ob etwas verbessert werden kann», sagte die Kanzlerin nach Gipfel-Ende.
Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, dagegen erklärte das Thema für erledigt. Es sei beim Gipfel nicht zur Sprache gebracht worden. «Mein Eindruck ist, dass diese Frage vom Tisch ist.»
Hilfspaket muss bis Ende Woche unter Dach und Fach sein
Bei der Rettung Griechenlands vor der Staatspleite macht EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy Druck. Die europäischen Finanzminister müssten bis Ende der Woche das bereits im Oktober beschlossene zweite Griechenland-Hilfspaket von 130 Milliarden Euro endgültig unter Dach und Fach bringen, sagte der Belgier.
Hoffnung auf Einigung über Schuldenschnitt
Nach Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel gab es noch Beratungen zur griechischen Schuldenkrise im kleinen Kreis. Dabei ging es um den Stand der Verhandlungen zwischen Athen und den privaten Gläubigern wie Banken und Versicherungen um den geplanten Schuldenerlass. «Das ist ein völlig undramatischer Informationsaustausch», erklärte Juncker. Er hoffe, dass es in den nächsten Tagen eine Einigung gebe.
Streit mit Polen beigelegt
Die Staatenlenker legten beim Fiskalpakt nach längeren Debatten einen Streit mit Polen und anderen Nicht-Euro-Ländern über die Teilnahme an Gipfeltreffen der Euro-Gruppe bei. Diese Staaten sollen an allen Beratungen teilnehmen dürfen, bei denen es um drei Themen geht: die Wettbewerbsfähigkeit, Veränderungen in der globalen Strategie der Euro-Währung und künftige Reformen der Grundregeln für die Gemeinschaftswährung.
Dauerhafter Rettungsschirm gebilligt
Die «Chefs» billigten auch den dauerhaften Krisenfonds für schwächelnde Euro-Länder ESM. Dieser soll am 1. Juli starten und einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben. Er soll Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und dieses Geld an pleitebedrohte Euro-Staaten weiterreichen. Ob das Volumen für Notkredite ausreicht, soll der nächste EU-Gipfel im März überprüfen.
Arbeitsplätze für junge Menschen
Der Gipfel beschloss auch, mehr für das Wirtschaftswachstum und vor allem für Arbeitsplätze junger Menschen zu machen. Schweden zieht dabei als einziges Land vorerst aber nicht mit. Unter anderem sollen vorhandene Mittel aus den Brüsseler EU-Töpfen rascher und besser eingesetzt werden. Derzeit sind in den Strukturfonds noch 82 Milliarden Euro vorhanden, die bisher nicht konkret verplant sind.
Sorgen um Portugal
Sorge macht auch das hochverschuldete Portugal, das wieder ins Visier der Anleger geraten ist. Die Renditen für Staatsanleihen kletterten auf die höchsten Stände seit Einführung des Euro. Der Fast-Pleitestaat erhält bereits 78 Milliarden Euro Nothilfen aus dem derzeitigen Rettungsfonds EFSF.
Das andere Sorgenkind der Euro-Zone, Italien, benötigt nach eigenen Angaben kein Geld aus dem Euro-Krisenfonds EFSF. Italiens Ministerpräsident Mario Monti sagte: «Wir schauen nicht auf die europäischen Krisenfonds mit dem Auge desjenigen, der denkt, Geld aus diesen Fonds zu benötigen. (awp/mc/pg)