EU verdonnert Microsoft zu 561 Mio Euro-Busse
EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. (Foto: EU-Kommission)
Brüssel – Eine angebliche Panne kostet den Softwareriesen Microsoft Millionen: Wegen unfairer Geschäftspraktiken muss der Konzern 561 Millionen Euro Geldstrafe an die Europäische Union zahlen. Das entschied die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel. Microsoft habe versäumt, den Nutzern des Betriebssystems Windows 7 neben dem hauseigenen Internet Explorer verschiedene Browser von Konkurrenten für das Surfen im Internet anzubieten.
Es ist bereits die zweite Entscheidung in dieser Sache. 2009 war Microsoft noch mit Zugeständnissen einer Strafe entgangen. Doch nach neuen Verstössen wurde die EU-Kommission wieder aktiv. Das US-Unternehmen habe mit seiner Praxis den Kunden die eigene Software aufgedrängt und die Hersteller anderer Programme blockiert, so der Vorwurf. Der Konzern habe von Mai 2011 bis Juli 2012 seine Selbstverpflichtung gebrochen und rund 15 Millionen Windows-Nutzern die Wahlfreiheit genommen. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia sagte: «Das bedarf einer Geldbusse.»
Bussen summieren sich mittlerweile auf 2,2 Mrd Euro
Seit Jahren gehen die Kartellwächter gegen Microsoft vor, weil der Konzern seine Softwareprodukte unrechtmässig an sein Betriebssystem Windows koppelt. Den Kartellwächtern ist die Vormachtstellung von Microsoft ein Dorn im Auge. Das Unternehmen musste seit 2004 bereits mehrfach EU-Strafen zahlen. Insgesamt summieren sich diese inzwischen auf 2,2 Milliarden Euro.
Microsoft räumt Versagen ein und entschuldigt sich
Der US-Konzern räumte am Mittwoch erneut ein Versagen ein: «Wir übernehmen die volle Verantwortung für den technischen Fehler, der dieses Problem hervorgerufen hat und entschuldigen uns dafür», teilte Microsoft in Brüssel mit. Man habe Vorkehrungen getroffen, um diesen oder ähnliche Fehler in Zukunft zu vermeiden.
Service Pack 1 ohne Auswahlfenster für Browser
2009 hatte sich Microsoft verpflichtet, auf neuen Computern oder in neuen Windows-Paketen ein Auswahlfenster mit unterschiedlichen Browsern einzubauen. Brüssel wollte auf diese Weise verhindern, dass Microsoft seine marktbeherrschende Stellung im Bereich der PC-Betriebssysteme ausnutzen konnte. Windows hat bei Computern und Laptops europaweit einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent. Der Anteil des Internet Explorers bei den Browsern ist aber nach EU-Angaben mit rund 55 Prozent deutlich niedriger.
Doch der Softwarekonzern lieferte zwischen Mai 2011 und Juli 2012 die Softwareaktualisierung Service Pack 1 für Windows 7 ohne den Auswahlbildschirm für die freie Wahl des Web-Browsers aus. Almunia sagte: «Die Nichteinhaltung ist ein schwerwiegender Verstoss, der mit entsprechenden Sanktionen belegt werden muss.» Es sei das erste Mal, dass Brüssel wegen Verstosses gegen eine solche Zusage erneut eine Strafe ausspreche. Der EU-Kommissar ergänzte: «Ich hoffe, das dieser Beschluss heute abschreckend wirkt.»
Strafe wegen Kooperation von Microsoft geringer als möglich ausgefallen
Maximal ist bei Verstössen gegen die EU-Kartellvorschriften eine Strafe von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes möglich, im konkreten Fall also mehr als fünf Milliarden Euro. Almunia sagte: «Wir haben die Geldbusse wegen mildernder Umstände reduziert, weil Microsoft eng mit uns kooperiert hat.» Die Strafzahlung belaufe sich auf ein Prozent des Umsatzes.
Der Konzern hatte das Versäumnis bereits im vergangenen Jahr eingeräumt; ein Team von Technikern, die ein notwendiges Update vergessen hätten, sei schuld. Inzwischen hat Microsoft diese Praxis beendet. Zur Wiedergutmachung hatte das Unternehmen angeboten, die automatische Browser-Auswahl 15 Monate länger anzubieten als die von Brüssel verordneten fünf Jahre bis 2014.
Browser-Programme sind nötig, um im World Wide Web zu navigieren; damit lassen sich Web-Seiten auf dem Computer aufrufen. Microsoft installierte früher standardmässig den hauseigenen Internet Explorer. Nach dem Einschreiten der EU-Kommission öffnet sich inzwischen auf allen neuen Windows-Geräten in der Europäischen Union ein Auswahl-Fenster, auf dem auch Konkurrenzangebote wie Mozilla Firefox, Google Chrome, Apple Safari sowie acht kleinere Anbieter wie Opera erscheinen. (awp/mc/pg)