EU wappnet sich in aller Stille für die Katastrophe
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Brüssel – Es kommt nicht allzu häufig vor, dass die EU ihr Schicksal in die Hand eines einzigen Mitgliedstaates legt. Die Abstimmung über das Sparpaket in Griechenland ist einer dieser seltenen Momente. Vor dem Votum der Parlamentarier am Mittwoch steigt deshalb die Spannung in Europas Hauptstadt.
Die Wortwahl verrät: Die Lage ist dramatisch. «Der einzige Weg zum Abwenden einer sofortigen Pleite ist für das Parlament die Annahme des geänderten Wirtschaftsprogramms», warnte der sonst sehr zurückhaltende EU-Währungskommissar Olli Rehn. «Wir müssen zu dem Programm stehen, das ist die Bedingung, um Griechenland zu helfen», hämmerte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Dienstag Europaabgeordneten ein.
Finanzstabilität der ganzen Welt in Gefahr
Es geht, so heisst es immer wieder in Brüssel, nicht nur um das Schicksal Griechenlands, sondern auch um die Finanzstabilität Europas und der ganzen Welt. Eine ungeordnete Staatspleite Griechenlands dürfte unabsehbare Folgen für Staaten, Banken und Bürger haben, befürchten Fachleute. Staaten, denen bisher keine EU-Hilfsprogramme erhalten und auf die Finanzmärkte angewiesen sind, könnten besonders leiden, beispielsweise Spanien und Italien. Falls das Sparpaket der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou scheitert, können weitere, bereits vereinbarte Milliardenhilfen nicht fliessen – Athen wäre bereits im Juli zahlungsunfähig. Auch die Verhandlungen für ein neues Hilfspaket im Umfang von 120 Milliarden Euro würden erheblich erschwert.
Rehn: «Kein Plan B»
Der stille Finne Rehn wiederholt gebetsmühlenartig: «Es gibt keinen Plan B.» Er meint damit, dass es auf EU-Ebene keine verbindlichen Verabredungen für den Fall gibt, dass die Athener Parlamentarier das Papandreou-Paket blockieren und die neue Krediten nicht fliessen können. Hinter den Kulissen werden jedoch Szenarien für diesen Katastrophenfall entworfen. Eines besteht darin, den konservativen Athener Oppositionsführer Antonis Samaras doch noch zu überzeugen, mit der Regierung bei dem Spar- und Privatisierungsprogramm von 78 Milliarden Euro an einem Strang zu ziehen und dann eine zweite Abstimmung zu haben.
Möglicherweise Notkredite
Eine weitere Möglichkeit seien Notkredite aus dem Krisenfonds der wackelnde Eurostaaten (EFSF), den Griechenland bisher nicht in Anspruch nimmt. Es könnten auch einzelne bilaterale Kredite von Eurostaaten an Athen aus dem alten Hilfsprogramm von 110 Milliarden Euro vorgezogen werden, lautet eine Überlegung in Brüsseler Hinterzimmern. Bisher traten die Eurostaaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) bei den Hilfsprogrammen für Krisenländer der Eurozone stets zusammen auf. Das könnte sich laut Experten in «Katastrophenfall» ändern – notfalls müssten die Europäer alleine einspringen.
Weitere Verzögerungen nicht mehr hinnehmbar
Diplomaten weisen darauf hin, man müsse die Abstimmung am Mittwoch über den Sparplan und das für den Donnerstag geplante Votum über ein Ausführungsgesetz zum Sparprogramm im Zusammenhang seien. Weitere Verzögerungen bei den Privatisierung mit einen Umfang von 50 Milliarden Euro seien nicht hinnehmbar, lautet die Warnung. (awp/mc/ps)