Wallisellen – Beim weltweiten Rennen um die höchsten Automobil-Verkaufszahlen stehen China und Indien in der ‚Pole Position‘. In dem von starkem Wandel geprägten Weltmarkt steigt der Absatz im Jahr 2019 auf über 100 Millionen Fahrzeuge, so der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes in seiner aktuellen Studie „The Auto World Championship“ zur IAA in Frankfurt.
Die Wirtschaftsforschungsabteilung von Euler Hermes hat weltweite Daten und Trends analysiert und den Schwerpunkt auf das Wettrennen um Verkaufszahlen, E-Automobile, Profitabilität und Innovationskraft gelegt. Verglichen werden dabei die acht wichtigsten Automärkte der Welt: China, Deutschland, Frankreich, Indien, Italien, Japan, Grossbritannien und die Vereinigten Staaten.
„Wir rechnen für 2017 mit einem Anstieg der Zulassungszahlen um weltweit 2,1%. Gründe hierfür sind eine Erholung in Europa und neue Technologien, die Autos wieder ‚cool‘ machen“, sagt Ludovic Subran, Chef-Volkswirt von Euler Hermes. „Dennoch hat sich das Wachstum im Vergleich zu 2016 halbiert, weil die Neuzulassungen in den Vereinigten Staaten und Grossbritannien unter steigenden Gebrauchtwagen-Verkäufen leiden und in China seit Anfang des Jahres die steuerlichen Vergünstigungen für Autokäufe weggefallen sind.“
Euler Hermes erwartet, dass 2017 weltweit insgesamt 95,8 Millionen Neufahrzeuge verkauft werden. 2018 soll die Zahl um weitere 2,5% auf über 100 Millionen Autos steigen. Die grössten Zuwachsraten werden für China erwartet, gefolgt von Indien. Der Zuwachs in diesen Ländern soll den Rückgang in den Vereinigten Staaten und in Grossbritannien mehr als ausgleichen. Weltweit ergeben sich stark unterschiedliche Entwicklungen, vor allem bedingt durch drei Gründe:
- Marktrisiken – In China erhalten Käufer von Neufahrzeugen seit Anfang 2017 keine Steuervergünstigungen mehr, in den Vereinigten Staaten haben sich die Finanzierungsbedingungen zum Käufernachteil entwickelt und der bevorstehende Brexit bremst die Kaufkraft in Grossbritannien. Positive Entwicklungen in Europa und im Rest der Welt können dies nicht ausgleichen. Hinzu kommt 2018 ein Anstieg der Zinsen, durch die Verbraucherkredite teurer werden und sich die Lagerbestände der Produzenten verteuern.
- Boom im Gebrauchtwagenmarkt – Ein aufkeimender Gebrauchtwagenmarkt in den Vereinigten Staaten und Grossbritannien sowie eine Ausweitung in China führen zu sinkenden Neuwagen-Verkäufen im weltweiten Durchschnitt.
- Neue Technologien machen Autos wieder „cool“ – Neue Mobilitätslösungen und autonomes Fahren wecken bei Verbrauchern neue Begehrlichkeiten.
Obwohl der Anteil von E-Fahrzeugen beim weltweiten Neuwagen-Absatz noch immer sehr gering ist, sollen die Verkäufe in diesem Jahr die Marke von drei Millionen Automobilen mit E-Antrieben erreichen. Zwei Drittel der Verkäufe werden für das Gesamtjahr 2017 auf China und die Vereinigten Staaten entfallen.
Sehr unterschiedlich verteilt ist die Finanzkraft der Unternehmen in der Automobilbranche, abhängig von Ländergrenzen und Marktsegmenten. Die Profitabilität insgesamt präsentiert sich stabil: So stieg in 2016 die EBIT-Marge auf durchschnittlich sechs Prozent (2015: 5,5%). Mit Ausnahme der amerikanischen und italienischen Automobilhersteller liegt der Verschuldungsgrad der Branche unter dem Niveau vor der Finanzkrise. Stabil zeigen sich Liquidität und Investitionsgrad.
„Die Diskussionen um die Zukunft von Verbrennungsmotoren zeigt klar, dass sich die Automobilindustrie in einer entscheidenden Phase befindet. Deutsche Unternehmen stehen bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung zwar auf der ‚Pole Position‘, aber bei Patentanmeldungen auf Batterie-Technologien hat die Autobranche in den Vereinigten Staaten einen Vorsprung. Dies könnte sich für das Wachstum der deutschen Automobilindustrie und somit auch für die Schweizer Zulieferbranche als potenzieller Bremsklotz erweisen. Insbesondere dann, wenn nach Frankreich und Grossbritannien noch mehr Länder das Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2040 ankündigen“, erläutert Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz.
Die acht grössten Automobilmärkte
China: Neue Technologien, alte Herausforderungen
Für den weltweit grössten Automobilmarkt erwartet Euler Hermes 2017 ein Wachstum von zwei Prozent und von 3,2% für 2018. Bis 2019 werden in China jährlich über 30 Millionen Neufahrzeuge verkauft. Trotz Steuererhöhungen für Fahrzeuge mit hohem Schadstoffaus-stoss und gelockerten Beschränkungen für Gebrauchtwagenverkäufe wird vor allem ein weiterer, wenn auch gebremster Anstieg bei Neuzulassungen erwartet. Der Grund hierfür ist die steigende Nachfrage in kleineren Städten und ländlichen Regionen. Der Markt für Gebrauchtfahrzeuge wird sich im Jahr 2020 auf 24 Millionen Verkäufe pro Jahr verdoppeln. Auf dem bereits heute weltweit grössten Markt für E-Fahrzeuge stützen Subventionen in Höhe von 23% des Kaufpreises auch weiterhin die Nachfrage. Trotz der Investitionen in Akkutechnologien fährt Chinas Automobilindustrie bei Forschung & Entwicklungsausgaben und bei Patentanmeldungen den Spitzenreitern hinterher. Durch gezielte Käufe und Beteiligungen ist China Automobilindustrie dagegen bei Mergers & Acquisitions im Bereich Informations- und Computertechnologien Spitze. Hier investierten die Unternehmen in den Jahren 2012-2017 insgesamt 6,2 Milliarden US-Dollar.
Deutschland: Abwärts mit dem Diesel?
Die „Diesel-Affäre“ hat zu einem rückläufigen Anteil dieser Fahrzeuge am Neuwagenverkauf geführt. Waren im ersten Halbjahr 2016 noch 46,9% aller Neufahrzeuge Diesel, sank dieser Wert auf 41,3% im Vergleichszeitraum 2017. Insgesamt stiegen die Neuwagenverkäufe in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 2,1% auf 2,4 Millionen Fahrzeuge. Euler Hermes erwartet bis Jahresende ein Plus von 2,2%, für 2018 einen Zuwachs von 1,7%. Die Flexibilität deutscher Automobilhersteller, die zu den profitabelsten weltweit gehören, wird speziell im Europageschäft mittelfristig für Wachstum sorgen. Investitionen in Forschung & Entwicklung in einer Gesamthöhe von 37 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015 machen die deutsche Automobilindustrie in diesem Bereich zur Nr.1. Spitze sind die deutschen Autohersteller auch bei Patentanmeldungen, vor allem in den Bereichen Elektromobilität und Hybrid-Antriebe. Zum Vergleich: Die Forschungsausgaben von Japans Automobilindustrie lagen 2015 bei 29,4 Milliarden US-Dollar. Die Verkäufe von E-Autos haben zwar insgesamt noch einen sehr niedrigen Anteil am Neuwagengeschäft, stiegen aber im ersten Halbjahr 2017 um 115,5% auf 22.453 Fahrzeuge. Bis Jahresende sollen 50.000 E-Autos verkauft werden.
Frankreich: Zwischenspurt
Positive Wirtschaftszahlen sorgten in Frankreich in den ersten sieben Monaten 2017 für einen Anstieg der Neuwagenverkäufe um 4,2%, wobei sich das Plus bis Jahresende auf 3% und damit 2,5 Millionen Fahrzeuge einpendeln wird. Für 2018 erwartet Euler Hermes einen Anstieg um zwei Prozent auf 2,6 Millionen Autos. Im Ländervergleich liegt die französische Automobilbranche im Effizienzranking auf dem zweiten Rang und verfügt aus wirtschaftlicher Sicht über starke Kennzahlen. Französische Zulieferer suchen weiterhin aktiv nach strategischen Partnerschaften in den Bereichen „Connectivity“ und „Autonomes Fahren“. Im Juli 2017 kündigte die Regierung an, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren bis zum Jahr 2040 zu verbieten. Im ersten Halbjahr 2017 wurden in Frankreich 20.000 E-Fahrzeuge verkauft. Gestützt von grosszügigen Subventionen soll die Zahl weiterhin prozentual zweistellig wachsen.
Grossbritannien: Bröckelnde Zuversicht
Nach einer fünfjährigen Wachstumsphase, begünstigt durch günstige Finanzierungsangebote, sinkt der Neuwagenverkauf in Grossbritannien in diesem Jahr um fünf Prozent auf 3 Millionen Neufahrzeuge. Für 2018 rechnen die Experten mit einem weiteren Rückgang um sechs Prozent auf nur noch 2,8 Millionen Autos. Die Gründe hierfür liegen in sehr günstigen Gebrauchtwagenpreisen und der wachsenden Unsicherheit durch die Brexit-Verhandlungen mit der EU. Dies beeinflusst vor allem den Export: Rund die Hälfte der in Grossbritannien produzierten Fahrzeuge wird in EU-Ländern verkauft. Eine weitere negative Folge sind die künftig ausbleibenden EU-Fördermittel für Forschung und Entwicklung. Hier investierte die britische Automobilbranche im Jahr 2015 ohnehin am wenigsten aller Vergleichsländer: 1,8 Milliarden Euro. Positiv entwickeln sich die Verkäufe von E-Automobilen: Gründe hierfür sind staatliche Förderungen von rund 15% und das für 2040 angekündigte Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Trotz einer lückenhaften Infrastruktur für E-Fahrzeuge wird mit stabilen Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich gerechnet.
Indien: Startet die Motoren!
Mit einem Zuwachs der Neuzulassungen von 10,5% auf 4,1 Millionen in 2017 und 13,5% auf 4,6 Millionen Fahrzeuge für 2018 wächst der indische Automobilmarkt weiterhin sehr stark. Einer der Wachstumstreiber war die Harmonisierung der Mehrwertsteuer im Juli 2017, die in einigen Fahrzeugsegmenten zu Reduzierungen der Endverkaufspreise führte. Die Zusagen der Regierung, weiterhin in Infrastruktur zu investieren, trieben die Verkäufe ebenso an wie eine steigende Nachfrage der jüngeren Käufergruppen. In den Bereichen Innovationskraft und Entwicklungsausgaben liegt Indien auf einem der hinteren Plätze. Fehlende Infrastrukturen für E-Fahrzeuge sorgten für einen Absatz von nur 115.000 E-Autos – dies entspricht 10% des E-Absatzes in China.
Italien: Auf der Überholspur
Mit einem Wachstum von sieben Prozent im laufenden Jahr (2,2 Millionen Neuzulassungen) und fünf Prozent im Jahr 2018 (2,3 Millionen Neuzulassungen) fährt die italienische Automobilindustrie auf der Überholspur. Treiber sind ein harter Kampf um Marktanteile und die gestiegene Zuversicht bei Handel und Verbrauchern. Mittelfristig könnte eine aufkeimende Bankenkrise jedoch zu einer Kaufzurückhaltung führen. In der mittelständisch geprägten italienischen Automobilbranche sind die finanziellen Spielräume für Forschung und Entwicklung begrenzt: Nur vier Prozent aller weltweiten Automobilpatente kamen 2015 aus Italien. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung beliefen sich auf insgesamt fünf Milliarden Euro. Die geringe staatliche Förderung beim Kauf von E-Automobilen und eine nur sehr langsam wachsende Infrastruktur führen dazu, dass sich der Markt für E-Mobilität noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium befindet.
Japan: Stabile Aussichten
Nach zwei Jahren stagnierender Verkäufe wird der Neuwagenverkauf im Jahr 2017 um zwei Prozent wachsen. Für 2018 erwartet Euler Hermes eine Steigerung von 0,2% auf rund fünf Millionen Neufahrzeuge. Gebremst wurde der Absatz durch den Anstieg der Steuern für Besitzer von Kleinfahrzeugen im Jahr 2015. Für Rückenwind sorgt hingegen ein Steuervorteil für umweltfreundliche Fahrzeuge. Kurzfristige Exportimpulse werden ausserdem von der weiteren Erholung der Weltwirtschaft und dem schwachen Yen erwartet. Japans Automobilhersteller gehören weiterhin zu den profitabelsten der Welt, die im Jahr 2015 ins-gesamt 29,4 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investierten. Bei den Patentanmeldungen liegt die Branche mit 1.854 Zertifikaten im Jahr 2016 hinter Deutschland auf dem zweiten Rang. Grosszügige staatliche Subventionen für den Kauf von Fahrzeugen mit Hybrid- und Wasserstoffantirieben sorgten für eine Kaufzurückhaltung bei E-Fahrzeugen: Nur 0,5% oder 24.000 der im Jahr 2016 verkauften Neufahrzeuge verfügten über einen Stromanschluss.
Vereinigte Staaten: Wachstumsmotor stottert
Der Absatz von Neufahrzeugen sinkt im Jahr 2017 um 2,5% auf 17,4 Millionen Fahrzeuge. Für 2018 wird ein Rückgang von 1,8% auf 17,1 Millionen gerechnet. Druck auf den Absatzmarkt entsteht durch die steigende Zahl säumiger Kredite auf Fahrzeugkäufe und durch steigende Gebrauchtwagenkäufe. Hohe Lagerbestände sorgen bei den Herstellern zudem für einen Rückgang der Gewinnmargen. Im Jahr 2015 belegten die Vereinigten Staaten allerdings mit Forschungsinvestitionen von insgesamt 16,8 Milliarden Euro, vor allem in Batterietechnologien, Rang drei hinter Deutschland und Japan. Bei den Patentanmeldungen bleiben die Vereinigten Staaten eine der führenden Nationen, vor allem im Bereich Batterie-Technologie. Bei den Neuzulassungen von E-Fahrzeugen sorgen unterdurchschnittliche Subventionen der Bundesstaaten für eine geringe Nachfrage – mit Ausnahme von Kalifornien, wo grosszügige Steuervergünstigen und ein starker Ausbau von Schnelladestationen positive Effekte zeigen. (Euler Hermes/mc)
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Euler Hermes
Über Euler Hermes
Euler Hermes ist weltweiter Marktführer im Kreditversicherungsbereich und anerkannter Spezialist in den Bereichen Kautionen, Garantien und Inkasso. Das Unternehmen verfügt über mehr als 100 Jahre Erfahrung und bietet seinen Business-to-Business(B2B)-Kunden Finanzdienstleistungen an, um sie im Liquiditäts- und Forderungsmanagement zu unterstützen. Über das unternehmenseigene Monitoringsystem wird täglich die Insolvenzentwicklung kleiner, mittlerer und multinationaler Unternehmen verfolgt und analysiert, die in Märkten tätig sind, auf die 92% des globalen BIP entfallen. Das Unternehmen mit Sitz in Paris ist in mehr als 50 Ländern vertreten und beschäftigt über 5’900 Mitarbeiter. Euler Hermes ist eine Tochtergesellschaft der Allianz und ist an der Euronext Paris kotiert (ELE.PA). Sie wird von Standard & Poor’s und Dagong Europa mit einem Rating von AA- bewertet. 2016 wies das Unternehmen einen konsolidierten Umsatz von EUR 2,6 Milliarden aus und versicherte weltweit Geschäftstransaktionen im Wert von EUR 883 Milliarden.
Euler Hermes Schweiz beschäftigt rund 50 Mitarbeitende an ihrem Hauptsitz in Zürich und den weiteren Standorten in Lausanne und Lugano.