Ludovic Subran, Chefökonom der Euler Hermes Gruppe. (Foto: Euler Hermes)
Zürich – Die brasilianische Wirtschaft zieht – wie auch die meisten früheren Gastgeber – keinen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Mega-Event der Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro. Im Gegenteil: Zusätzliche Insolvenzen stehen nach den Spielen ins Haus, insbesondere in Rio selbst. Zu diesem Ergebnis kommt der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes in seiner jüngsten Studie „The Olympics: A false (economic) start for Brazil“. Zudem steigt die Inflation durch die Olympiade zusätzlich an, die Staatsverschuldung wächst noch rasanter, so dass Rio de Janeiro bereits einen „finanziellen Notstand“ ausgerufen hat und vom Staat mit einem Rettungspaket in Höhe von 2,9 Milliarden (Mrd.) Brasilianischer Reals (BRL) unterstützt werden musste.
Insolvenz durch Olympia: Vielen Kleinunternehmen geht nach Event die Puste aus
„Rio 2016 ist für die Brasilianer wirtschaftlich ein Fehlstart“, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. „Im Vorfeld der Spiele sind eine Vielzahl an Klein- und Kleinstunternehmen wie Pilze aus dem Boden geschossen, in einer ersten Welle rund um das Baugewerbe und in einer zweiten Welle in den touristischen Bereichen wie Unterbringung, Lebensmittel und Gastronomie, Transport, Dienstleistungen, Freizeitunternehmungen oder Kommunikationsservices. Neugründungen sind per se häufig stark gefährdet. Durch die hohen Mietkosten, eine möglicherweise falsche Positionierung am Markt, einseitige Geschäftsmodelle und einen erschwerten Zugang zu Finanzierung oder öffentlichen Ausschreibungen sind diese Kleinunternehmen häufig die ersten, denen nach dem Mega-Event die Puste ausgeht. Allein durch Olympia rechnen wir in Rio mit zusätzlichen 5% Pleiten, bei den Kleinunternehmen sogar +12%.“
Die deutlich verschlechterte Zahlungsmoral und Insolvenzen machen jedoch dem ganzen Land zu schaffen. Landesweit steigen Insolvenzen 2016 nach Einschätzung von Euler Hermes um 22%. Hauptgrund ist die tiefe Rezession in Brasilien.
Staatsverschuldung und Inflation steigen an – kaum spürbare Wirkung bei Jobs und Wachstum
„Konsum und Investitionen haben zwar einen leicht positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum, aber dies reicht bei Weitem nicht aus, um die tiefe Rezession in Brasilien auszugleichen“, sagte Subran. „Die positiven Effekte sind homöopathisch und damit praktisch vernachlässigbar. Hinzu kommt ein negativer Einfluss auf die Inflation. Dieser wird auch in den kommenden Jahren noch spürbar sein wird und addiert sich zu den immer noch nachwirkenden inflationären Auswirkungen der Fussball-WM 2014.“
Bereits seit 2012 haben die beiden Mega-Sportevents einen merklichen Einfluss auf die steigende Inflation im Land. Sein Zenit erreicht der Effekt mit einem zusätzlichen Anstieg um einen Prozentpunkt (pp) 2016 und 2017. Nachwirkungen bei der brasilianischen Teuerungsrate werden aber noch bis 2020 spürbar sein. 2016 steigt die Inflation voraussichtlich um +8,6% an. Das ist zwar etwas langsamer als im Vorjahr mit +9%, aber dennoch weit über dem Ziel der Zentralbank von 4,5% Zuwachs.
Finanzieller Notstand in Rio: Verschuldung 2016 doppelt so hoch wie Steuereinnahmen
„Die zusätzliche öffentliche Verschuldung ist ebenfalls ein beunruhigender Trend“, sagte Subran. „Sie steigt 2016 voraussichtlich auf 89% des Bruttoinlandsprodukts und erreicht 2017 fast die 100% Grenze. 2015 lag sie noch bei 73%. Besonders prekär ist die Lage im Bundesstaat Rio de Janeiro. Dort steigt die Verschuldung um kräftige 17% an – auf das Doppelte der Steuereinnahmen. In den letzten Monaten hat Rio daher den Finanznotstand ausgerufen und der Staat musste zur Hilfe eilen, um die rechtzeitige Fertigstellung der Infrastrukturprojekte für die Spiele sicher zu stellen.“
Homöopathische Kurzzeitwirkung auf den Arbeitsmarkt – Arbeitslosigkeit steigt weiter deutlich an
Wie bei Wachstum, Investitionen, Konsum und Bruttoinlandsprodukt sind die positiven Auswirkungen der Olympischen Spiele auf den Arbeitsmarkt fast vernachlässigbar.
„Olympia schafft rund 120.000 zusätzliche Jobs“, sagte Subran. „Das ist ein Tropfen auf den heissen Stein angesichts der rund 100 Millionen Arbeitskräfte im Land. Das ist weniger als 0,1%. In Rio mit rund 8,1 Millionen Arbeitskräften sind es ebenfalls lediglich 1,5%. Zudem sind mehr als 80% der Arbeitsplätze, die durch die Spiele entstanden sind, nicht dauerhaft und können so der deutlich steigenden Arbeitslosigkeit kaum etwas entgegen setzen. Die Arbeitslosenquote wird 2016 voraussichtlich von 8% auf 11% ansteigen, in 2017 rechnen wir sogar mit 12,8%.“ (Euler Hermes/mc/ps)
- Die vollständige Studie „The Olympics: A false (economic) start for Brazil (Englisch) finden Sie hier.
- Eine ausführliche Länderanalyse zu Brasilien, ein Land zwischen Hoffnung und Abgrund finden Sie hier.
- Die Analyse, warum Brasilien unter der China-Grippe leidet, finden Sie hier.
- Die Euler Hermes Studie zur weltweiten Zahlungsmoral (inkl. Brasilien) finden Sie hier.
- Euler Hermes
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(Quelle: Euler Hermes)