Wallisellen – Es zeichnet sich bei den globalen Insolvenzen weiterhin ein Wechsel aus Licht und Schatten ab: 2022 dürften die weltweiten Insolvenzen langsam zurückkehren – allerdings aufgrund der umfangreichen staatlichen Unterstützungsmassnahmen weiterhin von sehr niedrigem Niveau kommend. Trotz eines erwarteten Anstiegs von rund 15% dürften die globalen Fallzahlen 2022 im Durchschnitt voraussichtlich weiterhin 4% niedriger liegen als 2019 – vor der Pandemie. Dennoch kehren insbesondere Exportrisiken stärker zurück als bisher.
2020 lag der Rückgang bei den weltweiten Pleiten bei 12% und auch im laufenden Jahr zeichnet sich ein weiterer Rückgang um rund 6% ab, so die jüngste Insolvenzstudie des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes.
«Die staatlichen Unterstützungsmassnahmen haben ihr Ziel erreicht, möglichst viele Insolvenzen zu verhindern», sagt Maxime Lemerle, Leiter der Branchen- und Insolvenzanalyse bei der Euler Hermes Gruppe. «In Westeuropa haben die Massnahmen jede zweite Pleite verhindert, in den USA jede Dritte. Für 2021 zeichnet sich keine Trendwende ab: Die Verlängerung zahlreicher Programme wird die Insolvenzen im Jahr 2021 auf einem weiterhin niedrigen Niveau halten. Wie es weitergeht, hängt massgeblich davon ab, wie die Regierungen in den kommenden Monaten handeln. Erst ab 2022 dürfte sich das weltweite Insolvenzgeschehen wieder sukzessive normalisieren.»
Schweiz schwimmt gegen den Strom: Bis 2022 wird grössere Normalisierung erwartet
Im weltweiten Vergleich fällt die Schweiz als eines der wenigen europäischen Länder auf, das entgegen der globalen Entwicklung in den ersten Monaten des Jahres 2021 eine steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet hat. «Dieser Trend hält sich bisher jedoch mit einem Zuwachs von 1.2% in Grenzen: Bis und mit August 2021 hat die Schweiz total 3’175 Insolvenzfälle verzeichnet, was zwar einer leichten Zunahme gegenüber der ersten acht Monate 2020 mit 3’138 Fällen entspricht, aber unter dem Wert von 3’918 Fällen innerhalb derselben Zeitspanne im Jahr 2019 liegt», wie Stefan Ruf, CEO Euler Hermes Schweiz, ausführt. Für das Gesamtjahr 2021 erwartet Euler Hermes in der Schweiz einen moderaten Anstieg der Insolvenzen um 4% auf 5’100 Fälle, bevor 2022 mit 5’600 Insolvenzfällen und somit einer grösseren Normalisierung gerechnet wird. «Auch mit diesem stärkeren Zuwachs um 10% wird die Schweiz das Vorkrisenniveau 2022 allerdings noch nicht wieder erreichen. 2018 und 2019 lagen die Insolvenzen bei über 6’000 Fällen», so Ruf.
Regionale Unterschiede: Auch in einigen anderen Ländern steigen die Insolvenzen 2021 gegen den Trend
Die Entwicklung ist global sehr unterschiedlich. Während in den meisten Ländern 2021 Pleiten weiter zum Teil deutlich rückläufig sein dürften, gibt es auch einige Länder, bei denen die Fallzahlen bereits 2021 gegen den globalen Trend steigen dürften. Dabei gibt auch die unterjährige Entwicklung Aufschluss über mögliche regionale Hot-Spots. So steigen Insolvenzen in Westeuropa 2021 voraussichtlich neben der Schweiz auch in Luxemburg (+4%), Italien (+47%) Spanien (+30%), Grossbritannien (+10%) sowie Belgien (+3%). In Osteuropa verzeichnen insbesondere Polen (+62%), Ungarn (+20%), Rumänien (+8%) und Bulgarien (+5%) steigende Fallzahlen ebenso wie in Asien Hongkong (+24%), Indien (+13%), Taiwan (+10%). In Afrika dürften Marokko (+48%) und Südafrika (+8%) den stärksten Anstieg sehen und in Südamerika sind Kolumbien (+12%) und Brasilien (+6%) besonders betroffen.
5 Indikatoren bestimmen die weitere Insolvenzentwicklung
Die neue Normalität bei den Insolvenzen birgt in allen Regionen weiterhin zahlreiche Risiken, die Unternehmen im Auge behalten sollten. Das Zusammenspiel von globaler und lokaler wirtschaftlicher Entwicklung und staatlicher Unterstützung spielt bei der künftigen Entwicklung der Insolvenzen weiterhin eine entscheidende Rolle ebenso wie die Dynamik beim «Cash-Burning». Hinzu kommt das anhaltend bestehende Ausfallrisiko von Unternehmen, die bereits vor Covid-19 zu den Wackelkandidaten oder «Zombies» zählten. Zudem hat die verschlechterte Finanzlage das Problem der Schuldentragfähigkeit verschärft. Die rasche Erholung der Unternehmensgründungen ist zwar einerseits eine positive Nachricht, hat aber auch eine Kehrseite: Junge Unternehmen sind traditionell anfälliger für Insolvenzen. Zudem vergrössert diese Entwicklung die Basis für potenzielle Insolvenzen mechanisch, insbesondere in Bereichen, in denen die Gründung von Unternehmen in hohem Masse mit in der Pandemie neu entstandenen Bedürfnissen zusammenhängt (z. B. Hauslieferungen), deren langfristige Tragfähigkeit jedoch unsicher ist. (Euler Hermes/mc/ps)