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Zürich – Der Kreditversicherer Euler Hermes hat das Zahlungsverhalten in 15 Ländern und 11 Branchen näher unter die Lupe genommen. Weltweit wurde dabei eine gegenläufige Entwicklung festgestellt. Während die Zahlungsmoral in Industrieländern stabil oder leicht sinkend ist, werden Rechnungen in Schwellenländern deutlich später bezahlt. Am schlechtesten ist die Zahlungsmoral in Italien, Schnellzahler finden sich dagegen in Russland, den Niederlanden, Deutschland, Grossbritannien und den USA.
Immer mehr Staaten versuchen, sich mit protektionistischen Massnahmen gegen andere Staaten zu schützen. „Spitzenreiter ist eindeutig Russland mit sage und schreibe 96 protektionistischen Massnahmen“, sagt dazu Ludovic Subran, Chefökonom der Euler Hermes Gruppe. „Angesichts der zahlreichen Sanktionen verwundert dies kaum. Indien folgt jedoch nur knapp dahinter mit 93 Schutzmassnahmen vor Brasilien (55) auf Platz drei, Indonesien (38), Südafrika (29), China (27), Argentinien (23), Vietnam (23), Mexiko (13) und der Türkei. Bei den Handelshemmnissen ist von der Erhebung von Zöllen bis zur Einführung unterschiedlicher Normen und Richtlinien für bestimmte Waren alles dabei. Die meisten sind so speziell, dass sie nur wenigen bekannt sind – in der Regel nur den betroffenen Unternehmen. Wer kennt schon das Importverbot für Reis in Gambia oder die Steuern, die in Kasachstan auf chinesische Zitronensäure? Wenn es umgesetzt wird, wäre übrigens das TTIP die weltweit grösste Handelsbarriere – denn derzeit würde es Afrika und Asien ausschließen vom Buffet der europäisch-amerikanischen Delikatessen.“
Und wer zahlt am Ende die Zeche?
Wer zahlt am Ende seine Zeche schnell und wo muss man lange auf sein Geld warten? Dieser Fragestellung ist der weltweit führende Kreditversicherer in seiner aktuellen Studie zum weltweiten Zahlungsverhalten nachgegangen und hat das Zahlungsverhalten in 15 ausgewählten Ländern und 11 Branchen ausgewertet. Richtgrösse waren dabei die sogenannten „Days of Sales Outstanding“ (DSO), also die Zeitspanne zwischen Rechnungslegung und Zahlungseingang, von börsennotierten Unternehmen in den jeweiligen Ländern und Sektoren. Auffällig ist dabei die stark gegenläufige Entwicklung des Zahlungsverhaltens in Industrie- und Schwellenländern.
„In den Industrieländern ist die Zahlungsmoral 2015 mit durchschnittlich 64 Tagen DSO in den meisten Ländern auf Vorjahresniveau oder verbessert sich sogar leicht“, sagt Subran. „In den Schwellenländern hingegen verschlechtert sich das Zahlungsverhalten und Rechnungen werden in diesem Jahr im Schnitt erstmals fünf Tage später bezahlt (69 Tage) als in den Industrienationen. Die stärkste Verschlechterung verzeichnen wir dabei in China und Russland. Rechnungen werden dort 22 beziehungsweise 17 Tage später bezahlt als noch im Jahr 2007. Aber auch Brasilien schwächelt bei der Zahlungsmoral im laufenden Jahr. In Europa schwimmt Grossbritannien gegen den Strom: Die dortigen Unternehmen bezahlen immer später. Frankreichs Zahlungsverhalten verschlechtert sich leicht, alle anderen bleiben unverändert oder verbessern sich sogar beim Bezahlen ihrer Zeche.“
Schlusslicht Italien: Rechnungen nach 98 Tagen bezahlt, 32 Tage über weltweitem Durchschnitt
Schlusslicht bei der Zahlungsmoral bleibt nach Einschätzung der Euler Hermes Volkswirte mit Abstand Italien: Ganze 98 Tage müssen Gläubiger laut Prognose 2015 im Stiefelstaat auf ihr Geld warten. Das ist zwar eine leichte Verbesserung um einen Tag, aber dennoch müssen Unternehmen dort 32 Tage länger auf ihr Geld warten als im weltweiten Durchschnitt (66 Tage). Auf dem vorletzten Platz im Euler Hermes Ranking landet 2015 die Türkei mit einer DSO von 80 Tagen, hinter Frankreich mit 78 und Indien mit 76 Tagen zwischen Rechnungsstellung und Zahlungseingang. China landet trotz der deutlich verschlechterten Zahlungsmoral in den letzten Jahren mit ebenfalls 76 Tagen noch auf Platz 11.
„China ist ein repräsentatives Beispiel für die Entwicklung in den Schwellenländern“, erklärt Subran weiter. „2007 haben börsennotierte chinesischen Unternehmen ihr Geld bis zu 9 Tage früher erhalten als der Weltdurchschnitt. 2015 werden es zehn Tage länger sein als ihre internationale Konkurrenz. Dafür gibt es drei Gründe. Erstens, agieren sie zunehmend international und müssen sich den weltweiten Zahlungsstandards anpassen. Zweitens, leiden die chinesischen Unternehmen unter dem verlangsamten Wachstum ihres Landes. Und drittens, ist der Lieferantenkredit eine der wichtigsten Finanzierungsquellen geworden, seit die Regierung 2012 den Zugang zu Bankkrediten verschärft hat.“
Schnellzahler: Niederlande, Russland, Deutschland; Grossbritannien Ausreisser in Europa
Die Niederlande, Russland und Deutschland räumen als Schnellzahler 2015 die Medaillen ab – wobei Russland wie auch China zuletzt ein verschlechtertes Zahlungsverhalten zeigt (2015: Anstieg DSO um 2 Tage). Es folgen die USA, Grossbritannien und Belgien. Grossbritannien und auch Frankreich schwimmen in Europa allerdings gegen den Strom. Die Franzosen verschlechtern sich 2015 als einziges Land bei der Zahlungsmoral, wenn auch nur um einen Tag. Bei den Briten bleibt das Zahlungsverhalten 2015 zwar stabil im Vergleich zum Vorjahr, es hat sich aber seit 2010 um vier Tage verschlechtert, während die meisten anderen Länder im Vergleichszeitraum gleichbleibend oder schneller ihre Rechnungen beglichen.
„Diese Entwicklung unterstreicht die Tatsache, dass die konjunkturelle Erholung in Grossbritannien plötzlich und sehr schnell verlief“, sagte Subran. „Als Folge mussten Betriebe auf längere Zahlungsziele umstellen, um ihr Wachstum und ihre Investitionen zu finanzieren.“
Bei den Branchen ist die Zahlungsmoral im Einzelhandel sowie im Lebensmittel- und Getränkesektor sehr gut; in den Branchen Technologie, Gesundheitspflege, Industriegüter, Bau und Baumaterialien sind die DSO länger als im weltweiten Durchschnitt. Der Technologiesektor (Anstieg DSO um 19 Tage) und das Segment der Industriegüter (Anstieg DSO um 16 Tage) verzeichneten 2014 auch die stärkste Verschlechterung seit 2010, gefolgt vom Automobilsektor (Anstieg DSO um 10 Tage). (Euler Hermes/mc)