Luxemburg – Ungeachtet aller politischen Risiken durch Brexit, Trump und Co setzt die Euro-Wirtschaft ihren Erholungskurs fort. Im zweiten Quartal sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den 19 Ländern des Währungsraums um 0,6 Prozent zum Vorquartal gewachsen, teilte das europäische Statistikamt Eurostat am Dienstag nach einer ersten Schätzung mit. Experten sehen eine schnelle Genesung nach Jahren der Krise. Und das Zugpferd Deutschland könnte sogar noch für einen zusätzlichen Schub sorgen.
Volkswirte hatten für die Monate April bis Juni mit dem gemeldeten Wachstum gerechnet. Im Jahresvergleich legte das BIP um 2,1 Prozent zu. Die Euro-Wirtschaft zeige sich unbeeindruckt vom Brexit-Votum, dem Polit-Chaos unter US-Präsident Donald Trump und den zahlreichen geopolitischen Konflikten, heisst es von der Landesbank Nord/LB. Einziger Wermutstropfen: Das Wachstum des ersten Quartals wurde von zunächst geschätzten 0,6 Prozent auf 0,5 Prozent nach unten revidiert.
Nach langer Durststrecke während der Krisenjahre ist die Euro-Wirtschaft seit Mitte 2013 wieder mehr oder weniger stark auf Wachstumskurs. «Während der Währungsraum noch bis vor kurzem als kranker Mann galt, kommt die Genesung erstaunlich schnell voran», sagt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank. Die Arbeitslosigkeit ist wieder so niedrig wie seit mehr als acht Jahren nicht mehr und die Stimmung in der Wirtschaft so gut wie zuletzt vor Ausbruch der weltweiten Finanzkrise. Der Versicherungskonzern Allianz rechnet mit einem Wachstum von insgesamt knapp über zwei Prozent in diesem Jahr.
Erstarkte Gemeinschaftswährung
Das wirtschaftliche Comeback hat zuletzt dem Euro starken Auftrieb gegeben und ihn auf den höchsten Stand seit Anfang 2015 getrieben. Dabei spielt neben dem Polit-Chaos in den USA auch die Erwartung an den Finanzmärkten eine Rolle, dass die Europäische Zentralbank (EZB) auf die starke Euro-Wirtschaft reagieren und bald eine schrittweise Abkehr von ihrer extrem lockeren Geldpolitik mit Niedrigzinsen und milliardenschweren Wertpapierkäufen einleiten könnte – denn die ist eigentlich eine Art Nothilfe für die Wirtschaft in Krisenzeiten.
Tendenziell stellt der starke Euro zwar eine Gefahr für viele Unternehmen im Währungsraum dar, weil deren Waren in Nicht-Euroländern teurer und dadurch weniger wettbewerbsfähig werden. Doch Experten sehen keinen Grund für Pessimismus. «Das günstige Umfeld dürfte meiner Meinung nach noch eine Weile anhalten», sagt Uwe Burkert, Chefvolkswirt bei der Landesbank Baden-Württemberg. «Auch die jüngste Euroaufwertung kann daran nichts ändern.»
Noch nicht in den aktuellen Wachstumszahlen enthalten sind die BIP-Daten für das zweite Quartal aus Deutschland, die erst Mitte August veröffentlicht werden. Experten rechnen mit einer positiven Entwicklung, was am Ende sogar noch zu einer Korrektur des Euro-Wachstums nach oben führen könnte. Denn der deutsche Arbeitsmarkt brummt und die Stimmung in Deutschlands Unternehmen ist laut dem Münchner Ifo-Institut so gut wie nie.
Spanien und Portugal kommen wieder auf die Füsse
Doch nicht nur Deutschland treibt das Euro-Wachstum. Auch einstige Krisenländer wie Spanien und Portugal berappeln sich weiter. Dennoch dürfe nicht «alles in Rosarot», gesehen werden, warnt Experte Gitzel. Nach wie vor sei die Euro-Arbeitslosigkeit hoch – insbesondere bei Jugendlichen. «Es liegt nun vor allem an der Politik, aus den aktuell äusserst soliden Wachstumsraten eine nachhaltige Erfolgsgeschichte zu machen.» (awp/mc/ps)