Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei der Inspektion einer Nuklearanlage.
Brüssel – Mit einem Ölembargo und dem Einfrieren der Konten der iranischen Zentralbank hat die Europäische Union die Gangart im Atomstreit mit dem Iran deutlich verschärft. Spätestens ab 1. Juli sollen die Öleinfuhren aus dem Iran gestoppt werden. Bis dahin können noch laufende Öl-Bezugsverträge von den EU-Staaten abgewickelt werden. Dies beschlossen die EU-Aussenminister am Montag in Brüssel. Die USA hatten ihre Verbündeten zu entsprechenden Schritten aufgerufen. Vor der Küste des Iran passierte der US-Flugzeugträger «Abraham Lincoln» im Konvoi unbehindert die Strasse von Hormus Richtung Persischer Golf.
Von einem «beispiellosen Sanktionspaket» sprach der britische Aussenminister William Hague. «Es geht darum, dass wir nicht akzeptieren können, dass der Iran nach der Atombombe greift», sagte der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle. «Und das ist nicht nur eine Frage der Sicherheit für die Region, das ist eine Frage der Sicherheit für die gesamte Welt. Und deswegen müssen wir beherzt reagieren, das macht niemand gerne.» Die «Option eines nuklear bewaffneten Irans» könne aber «nicht akzeptiert werden». Die am Montag beschlossenen Sanktionen sind die bisher schärfsten seit Beginn des Konflikts zwischen der internationalen Gemeinschaft und der Regierung in Teheran um das Atomprogramm des Irans 2005. Die USA wollen zusammen mit Europa die iranische Ölindustrie schwächen, um Teheran zum Nachgeben im Atomstreit zu zwingen. Der Iran bestreitet, an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten.
Zentralbank-Konten bedingt eingefroren
Die Sanktionen der EU zielen mit dem Ölembargo und dem Einfrieren der Zentralbankkonten erstmals nicht direkt auf Teile des Nuklearsektors, sondern auf die Wirtschaftskraft des Irans insgesamt. Bis 1. Juli dürfen noch laufende Öl-Bezugsverträge von den EU-Staaten abgewickelt werden. Italien darf auch darüber hinaus noch Öl einführen, weil es dafür nichts an den Iran zahlt. Es handelt sich bei den Lieferungen um die Bezahlung iranischer Schulden in Rom. Die Konten der Zentralbank wurden zwar eingefroren, doch sollen «legitime Geschäfte» weiterhin «unter strengen Kontrollen» möglich sein. Die Sanktionen gegen die Zentralbank sollten ebenso wie andere Massnahmen im EU-Amtsblatt vom (morgigen) Dienstag veröffentlicht werden und damit in Kraft treten. Damit das Ölembargo für die Importfirmen rechtsverbindlich wird, ist nach Angaben von EU-Diplomaten noch ein offizieller Vorschlag der EU-Kommission nötig.
Schwarze Liste erweitert
Die EU beschloss auch ein Einfuhrverbot für petrochemische Produkte und ein Exportverbot für Ausrüstung des Ölsektors. Neue Investitionen in Ölfirmen im Iran sind nicht mehr erlaubt. Ausserdem wurde gegen drei Personen ein Einreiseverbot und das Einfrieren des Vermögens in der EU beschlossen. Acht Unternehmen oder Organisationen kamen zusätzlich auf eine schwarze Liste von Firmen, mit denen keine Geschäfte mehr gemacht werden dürfen. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der Einreiseverbote wegen des Atomprogramms auf 116. Die Zahl der Unternehmen und Organisationen steigt auf 441. Der Iran hatte 2010 an den gesamten Öleinfuhren der EU nur einen Anteil von 5,7 Prozent. In einigen Staaten ist der Anteil jedoch höher: Griechenland ist zu 25 Prozent, Italien zu 13 und Spanien zu etwa 10 Prozent auf iranisches Öl angewiesen. Für den Iran ist die EU gemeinsam mit China der grösste Handelspartner. 90 Prozent der Exporte aus dem Iran nach Europa sind Öl.
Iran droht mit Sperrung der Meerenge von Hormus
Der US-Flugzeugträger «Abraham Lincoln» lief trotz massiver Drohungen aus dem Iran unbehindert in den Persischen Golf ein. Zusammen mit britischen und französischen Kriegsschiffen passierte die Trägergruppe die Meerenge von Hormus, wie das britische Verteidigungsministerium am Montag mitteilte. Mit der Aktion habe man «das bestehende internationale Bekenntnis, Durchfahrtrechte unter internationalem Recht zu sichern» betonen wollen, hiess es. Der Iran hatte gedroht, die Meerenge von Hormus für den Schiffsverkehr – vor allem für die Erdöltanker für den Westen – zu sperren. Washington wiederum drohte dem Iran für diesen Fall mit militärischer Gewalt. Zusammen mit der «Carl Vinson» hat die US Navy jetzt wieder zwei Flugzeugträger in der Region stationiert, nachdem die «John Stennis» vor etwa zwei Wochen in den Pazifik verlegt worden war. Teheran hatte die USA daraufhin gewarnt, keinen neuen Flugzeugträger in den Golf zu schicken. (awp/mc/upd/ps)