Europaparlament lehnt EU-Finanzplanung ab

Martin Schulz

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.

Strassburg – Das Europaparlament hat die von den 27 EU-Regierungen beschlossene Finanzplanung der Europäischen Union für die Jahre 2014 bis 2020 abgelehnt. Die Abgeordneten wiesen am Mittwoch in Strassburg mit 506 von 690 Stimmen den im Februar mühsam ausgehandelten Kompromiss der Staats- und Regierungschefs zurück. «Wir sind bereit, nun über einen verbesserten mehrjährigen Finanzrahmen zu verhandeln», sagte Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) nach dem Votum.

«Die Schlacht hat begonnen und das Parlament steht noch aufrecht», sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Alain Lamassoure (Frankreich). Das Parlament habe «die volle Kompetenz, über die Gesamtheit der Verteilung der Mittel zu entscheiden». Es werde daher die vom EU-Gipfel beschlossene Aufteilung zwischen den Politikbereichen und den von den Geldern profitierenden Staaten verändern. «Diese Schlacht wird lang und schwierig sein.»

Grosse Fraktionen sind sich einig
«Das Europaparlament hat damit gezeigt, dass es als Verhandlungspartner ernst genommen werden muss», sagte Schulz. «Das ist sicher ein guter Tag für die europäische Demokratie.» In der Ablehnung waren sich die grossen Fraktionen des Parlaments einig: Neben Christdemokraten und Sozialdemokraten stimmten auch Liberale, Grüne und Linke dafür.

Irland hofft auf Einigung vor Ende der Ratspräsidentschaft Mitte Jahr  Die irische Europa-Ministerin Lucinda Creighton, derzeit Verhandlungsführerin des Ministerrates, sagte: «Europa muss jetzt zeigen, dass es handlungsfähig ist.» Sie hoffe «so rasch wie möglich» auf eine Einigung mit dem Parlament – auf jeden Fall vor dem Ende der irischen Ratspräsidentschaft am 30. Juni.

Parlament will über Struktur der Ausgaben reden
Die Regierungen hatten sich am 8. Februar nur mühsam auf eine Ausgaben-Obergrenze von 908 Milliarden Euro geeinigt. «Es geht nicht vorrangig um das Geld, wir wollen vor allem über die Struktur der Ausgaben reden», sagte Schulz. «Ich hoffe, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten einen Kompromiss finden werden.»

Mehr Flexibilität gefordert
Das Parlament beschloss eine Reihe von Forderungen. Schulz sagte, das Parlament werde mit Verhandlungen überhaupt erst dann beginnen, wenn die Regierungen ein auf 16 Milliarden Euro geschätztes Loch im Haushalt des laufenden Jahres geschlossen hätten. Die Abgeordneten wollen auch «Flexibilität»: Gelder sollen zwischen verschiedenen Haushaltspositionen und Haushaltsjahren hin- und hergeschoben werden dürfen. Ausserdem fordern sie eine Überprüfung und mögliche Änderung der Finanzplanung nach dreieinhalb Jahren. Schliesslich müssten auch Möglichkeiten zu eigenen Steuereinnahmen der EU verbessert werden.

Schulz sagte, es werde keine Zustimmung zur Finanzplanung geben, «sofern es nicht Bewegung in all diesen Fragen gibt.» Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich an diesem Donnerstag in Brüssel. Sie werden sich dabei aber nicht näher mit der Ablehnung der Finanzplanung durch das Parlament befassen, sagten Diplomaten. Auch im Ministerrat, dem Gremium der Regierungen, hiess es, man rechne mit «sehr schwierigen Verhandlungen».

Finanzplanung setzt Obergrenzen
Mit der Finanzplanung setzt die EU Obergrenzen für die jährlich zu beschliessenden Haushalte. Auch diese Jahresbudgets können nur vom Ministerrat und dem Parlament gemeinsam beschlossen werden. Die Obergrenze für Zahlungen liegt mit 908 Milliarden Euro um 3,7 Prozent unter der für 2007 bis 2013. Die Verpflichtungsermächtigungen – also Finanzierungszusagen über mehrere Jahre hinweg – sanken um den gleichen Prozentsatz auf 997 Milliarden Euro. Grösste Ausgabenposten sind Hilfen für ärmere Regionen (325 Milliarden Euro) und Direktzahlungen an Bauern (277 Milliarden Euro).

Sollte es keine Einigung über die Finanzplanung geben, so gilt der Wert von 2013 mit einer Inflationsanpassung von 2,0 Prozent weiter. Falls nach dem Scheitern der Finanzplanung auch kein Haushalt für 2014 beschlossen werden kann, so dürfte nicht mehr als im Jahr 2013 ausgegeben werden. Bundesaussenminister Guido Westerwelle erklärte in Berlin, er bedauere die Entscheidung des Parlaments. Der Vorschlag des EU-Gipfels vom Februar sei «ein guter Kompromiss». (awp/mc/pg)

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