Europas Energieversorger in Alarmbereitschaft: Hohe Wechselbereitschaft der Kunden

Strom

Zürich – Europas Energieversorger stehen unter einem sich verschärfenden Wettbewerbsdruck, der ihre Ertragssituation erheblich belastet. Immer mehr unzufriedene Kunden sind auf der Suche nach attraktiveren Angeboten. Neue Teilnehmer drängen in das Geschäft und nehmen den traditionellen Energieversorgern Marktanteile ab. Das sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen Studie der Managementberatung Bain & Company mit dem Titel „Turning on Utility Customer Loyalty“.

Im Rahmen der Studie wurden 8.000 Versorgungskunden in Belgien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Schweden und Großbritannien befragt. Die Ergebnisse sind für die großen Energieversorger alarmierend: Jeder dritte ihrer Kunden denkt über einen Anbieterwechsel nach. Außerdem können nur zwei Versorgergruppen hohe Kundenzufriedenheitswerte aufweisen: die «Markteinsteiger und Discounter» sowie die «lokalen Anbieter». Noch bis vor wenigen Jahre mussten sich Energieunternehmen kaum Gedanken über das Thema Kundenzufriedenheit machen, denn ihre Kunden hatten meist keine andere Wahl, als „den einen“ Energieerzeuger zu nehmen. Berthold Hannes, Energieexperte und Partner bei Bain & Company in Düsseldorf, sagt dazu: „Im Zuge der Liberalisierung des Energiemarktes hat sich diese Situation drastisch verändert. Dies einerseits für die Kunden, die heutzutage viel mehr Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich ihres Anbieters haben – vom klassischen Energielieferanten, Stadtwerk oder Discounter bis hin zum mittelständischen Lösungsanbieter. Und andererseits für das Management von Energieunternehmen, das unter einem enormen Wettbewerbs- und Ergebnisdruck durch die neuen Anbieter steht.“

Niedrigsten Kundenzufriedenheitswert im Branchenvergleich
Die Studie dokumentiert, dass der Energiesektor in Europa, im Vergleich zu anderen Branchen, den niedrigsten Kundenzufriedenheitswert hat. Die Energieversorger liegen durchschnittlich sogar 35 Prozentpunkte hinter den Zufriedenheitswerten von Banken, Mobilfunkanbietern und Versicherungen. Dieser niedrige Wert schadet der Ertragssituation, denn kritische und wechselwillige Kunden sind, im Vergleich zu loyalen Anhängern, für einen Versorger weniger als halb so profitabel. „Die europäischen Energieversorger sind seit einiger Zeit zu sehr mit der Unbeständigkeit der politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen sowie lähmenden Restrukturierungen beschäftigt und verlieren unterdessen ihre Kunden aus den Augen”, sagt Kim Petrick, Energieexperte und Partner bei Bain & Company in München. Er und weitere Studienautoren gehen davon aus, dass aufgrund von Verbrauchseinsparungen und Preisdruck im klassischen Energielieferungsgeschäft von Strom und Gas Unternehmenswachstum nur noch realisieren lässt, indem Versorger ihren Wettbewerbern Marktanteile abnehmen. Das bedeutet umgekehrt, dass sich angegriffene Unternehmen aktiver um ihre Bestandskunden kümmern müssen, wollen sie einen Kundenschwund verhindern.

Messung mit dem mit dem Net Promoter® Score (NPS)
Die Kundenloyalität misst Bain & Company seit mehr als zehn Jahren mit dem Net Promoter® Score (NPS). Diese Kennzahl ergibt sich aus den Antworten auf eine einzige Frage: „Auf einer Skala von null bis zehn, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diesen Energieversorger einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ Die Antworten werden drei Kategorien zugeordnet. Dabei hat sich gezeigt, dass nur Werte von neun oder zehn für wirklich loyale Kunden stehen („Promotoren“), sieben und acht eher „passiv Zufriedene“ sind und Bewertungen von sechs oder weniger als „Kritiker“ eingestuft werden müssen. Minuswerte bedeuten, dass es weit mehr Kritiker als Anhänger gibt. Ein hoher NPS-Wert, im Vergleich zum Wettbewerb, besitzt eine enorme wirtschaftliche Bedeutung, da Promotoren kaum wechseln, pünktlich zahlen, weniger Servicekosten verursachen und für neue Angebote offener sind. Bei den Berechnungen des Net Promoter® Scores (NPS) in der aktuellen Studie übertrafen die Energieversorger der Kategorien „Markteinsteiger und Discounter” sowie „lokale Anbieter”, die bis dato etablierten Versorgungsunternehmen bei der Markentreue um 40 Prozentpunkte. Insgesamt sind die NPS-Werte der in der Studie berücksichtigten Energieversorger niedrig und nur die „Markteinsteiger und Discounter” sowie „lokalen Anbieter” können überhaupt einen positiven NPS-Wert erzielen. Auf Grundlage dieser Unterschiede definiert die Bain-Studie drei kundenstrategische Handlungsfelder, die den Weg zu einem höheren Kundenwert („Lifetime-Value“) weisen.

„Der starke Wettbewerb und die Sensibilität der Kunden in Bezug auf Energieverbrauch und Preise zwingen die europäischen Versorger dazu, sich intensiver um ihre Kunden zu kümmern. Die allseits zu beobachtenden Kostensenkungsbemühungen konterkarieren sich, wenn sie zulasten der Kundenerfahrung gehen und Abwanderung auslösen. Wer dagegen Kundenerfahrung und Kosten in integrierter Weise optimiert, kann die Kunden besser an sich binden und den Wert seines Kundenstammes erheblich steigern”, sagt Studienautor Petrick. (Bain/mc/hfu)

Über die Studie
Im Zeitraum von Oktober 2011 bis März 2012 befragte Bain & Company mehr als 8.000 Kunden von über 40 europäischen Energieerzeugern nach ihrer Einstellung hinsichtlich ihrer Kundenloyalität.

Bain & Company
Strategische Beratung, operative Umsetzung, messbare Ergebnisse: Mit diesem unternehmerischen Ansatz ist Bain & Company eine der weltweit führenden Managementberatungen. Gemeinsam mit seinen Kunden arbeitet Bain darauf hin, klare Wettbewerbsvorteile zu erreichen und damit den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern. Im Zentrum der ergebnisorientierten Beratung stehen das Kerngeschäft der Kunden und Strategien, aus einem starken Kern heraus neue Wachstumsfelder zu erschließen. Seit Gründung 1973 lässt sich Bain dabei an den Ergebnissen seiner Beratungsarbeit finanziell messen. Bislang waren Bain-Berater weltweit für über 4.900 große und mittelständische Unternehmen tätig. Insgesamt unterhält die Beratung 48 Büros in 31 Ländern und beschäftigt 5.400 Mitarbeiter, 600 davon im deutschsprachigen Raum. www.bain.de, www.bain-company.ch

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