Ronald Sauser, Leiter M&A bei EY Schweiz. (Foto: EY)
Zürich – Die Anzahl an Unternehmensübernahmen und -beteiligungen von chinesischen Investoren war im 1. Halbjahr 2016 europaweit so hoch wie im Gesamtjahr 2014. Das bisherige Rekordjahr 2015 dürfte somit gemäss einer aktuellen EY-Studie deutlich überboten werden. Die Schweiz liegt mit neun getätigten Akquisitionen durch chinesische Investoren auf Platz sechs der Investitionsziele in Europa, führt jedoch mit der Übernahme von Syngenta von über 44 Milliarden US-Dollar das Ranking nach Transaktionsgrösse an und stellt damit ebenso den grössten Einzeldeal.
Chinesische Investoren verstärken Ihre Aktivität auf dem europäischen Markt deutlich. Im ersten Halbjahr 2016 haben sie in Europa so viele Käufe getätigt wie im gesamten Kalenderjahr 2014 – ein Rekordwert. In Europa kauften oder beteiligten sie sich an 164 Unternehmen, in der Schweiz waren es 9. Damit dürfte der bisherige Ganzjahresrekord aus dem Jahr 2015 in diesem Jahr deutlich überboten werden: Im vergangenen Jahr investierten Chinesen in 183 Unternehmen in Europa, davon 6 in der Schweiz, wie eine aktuelle Studie des Beratungs- und Prüfungsunternehmens EY ergeben hat. Für die Schweiz wurden mit neun Übernahmen im ersten Halbjahr 2016 genauso viele Transaktionen getätigt, wie in den beiden vorhergehenden Jahren 2015 und 2014 zusammen.
Neben der Anzahl Transaktionen ist auch das Volumen europaweit deutlich angestiegen und übersteigt bereits jetzt die Beträge der vorangegangenen Jahre: Chinesische Unternehmen tätigten im ersten Halbjahr 2016 Zukäufe im Wert von 72,4 Milliarden US-Dollar, 2015 waren es knapp 40 Milliarden. Noch deutlicher fällt der Sprung in der Schweiz aus: Hier stieg das Transaktionsvolumen von gut 4 Milliarden US-Dollar im Gesamtjahr 2015 auf knapp 45,8 Milliarden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. Über 44 Milliarden US-Dollar entfallen auf die Syngenta-Transaktion.
Rasantes Wachstum in den letzten zehn Jahren
Im europäischen Umfeld, bleibt die Schweiz mit neun getätigten Akquisitionen ein beliebtes Investitionsziel chinesischer Unternehmen und steht damit an sechster Stelle. Auf dem ersten Platz steht klar Deutschland mit 37 Akquisitionen von chinesischen Investoren, vor Frankreich mit 23 und Grossbritannien mit 20 Akquisitionen. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 wurden 34 europäische Unternehmen von chinesischen Investoren gekauft, im Vorkrisenjahr 2007 führten chinesische Investoren insgesamt 51 M&A-Transaktionen in Europa durch – seitdem haben sich die Aktivitäten chinesischer Unternehmen in Europa vervielfacht.
«Chinesische Unternehmen blicken auf ihrer Suche nach Akquisitionen bereits seit geraumer Zeit intensiv auf Europa und auch auf die Schweiz», beobachtet Ronald Sauser, Leiter M&A bei EY Schweiz. Derzeit kämen noch zwei Entwicklungen hinzu, die das Interesse und die Summen sprunghaft ansteigen liessen: «In Europa wollen sich derzeit viele Private-Equity-Gesellschaften von Beteiligungen trennen und stossen bei chinesischen Investoren auf grosses Interesse. Denn diese suchen wiederum verstärkt nach Übernahmezielen in anderen Ländern, da das Wachstum auf dem Heimatmarkt nachlässt.»
«Mit dem verlangsamten Wachstum auf dem Heimatmarkt sehen sich die chinesischen Unternehmen gezwungen, neue Geschäftsfelder aufzubauen und sich von der Massenproduktion in Richtung Spezialisierung und Hochtechnologie zu bewegen», ergänzt Yi Sun, Partnerin bei EY Deutschland und Leiterin der China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz. «Der kürzeste Weg dahin besteht in Akquisitionen ausländischer Marktführer. Ein Beispiel wäre der Hersteller einfacher Konsumgüter, der höhere Wertschöpfungsniveaus erreichen möchte – etwa als Automatisierungshersteller im Premium Segment. Auf der anderen Seite suchen zurzeit viele chinesische, lokale Private-Equity-Gesellschaften für ihre Portfolio-Unternehmen passende Übernahmeziele und fokussieren dabei erfolgreiche und innovative Unternehmen in Europa – mit dem Ziel, eine überzeugende Equity Story für einen späteren Börsengang in Hongkong bieten zu können. Auch diese Entwicklung führt zu mehr erfolgreichen Abschlüssen in Europa.»
Grösster Deal in der Schweiz
Der mit Abstand grösste Deal ist die – noch nicht abgeschlossene – Übernahme des schweizerischen Agrochemie-Konzerns Syngenta durch ChemChina für 44 Milliarden US-Dollar. Allerdings hängt der Übernahmeprozess derzeit noch bei den US-Behörden fest, die eventuell ein Veto einlegen könnten. Auf Platz zwei steht die Übernahme des finnischen Onlinespiele-Entwicklers Supercell. Die Übernahme von 84 Prozent der Anteile lässt sich der chinesische Konzern Tencent 8,6 Milliarden US-Dollar kosten. In Deutschland läuft aktuell die drittgrösste Übernahme: Der chinesische Konzern Midea bietet 115 Euro je Anteilsschein für den Roboterhersteller Kuka – insgesamt knapp 4,7 Milliarden US-Dollar. Und auch auf Platz vier steht ein deutsches Unternehmen: Die EEW Energy from Waste GmbH, die für 1,6 Milliarden US-Dollar an den chinesischen Investor Beijing Enterprises Holding geht.
Das Engagement in Europa und speziell in der Schweiz komme nicht von ungefähr, sagt Ronald Sauser weiter: «Made in Switzerland hat international nach wie vor einen guten Ruf. Für chinesische Manager ist und bleibt die Schweiz ein attraktives Investitionsziel. Schweizer Unternehmen, ihre Produkte und Dienstleistungen stehen für Qualität und Zuverlässigkeit.»
Chinesen verfolgen einen langfristigen Ansatz
Anders als vielfach befürchtet sei das Engagement der Chinesen in der Schweiz aber keine Einbahnstrasse und nicht ausschliesslich zum Vorteil des Käufers, betont Sauser. «Die meisten chinesischen Investoren verfolgen einen langfristigen und strategischen Ansatz, bei dem sowohl Käufer wie auch das übernommene Unternehmen profitieren können. Know-how-Abfluss aus der Schweiz ist unwahrscheinlich, da Standortverlagerungen für die hiesigen Produkte und Dienstleistungen meist schwierig umzusetzen sind aufgrund der komplexen Produktions-, Logistik-, Management-, und IT-Prozesse. Zusätzlich braucht man hochqualifizierte Mitarbeitende, die in der Anzahl in China momentan nicht vorhanden sind.» Auch der Abbau von Arbeitsplätzen sei unwahrscheinlich: «Vielfach bauen die Investoren zusätzlich zum Schweizer Markt die Produktionskapazitäten in China aus. Von Insolvenz bedrohte Unternehmen können die Arbeitsplätze sogar durch Investitionen aus China retten.» (EY/mc/ps)
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