Zürich – Während der Pandemiezeit profitierte die Gaming-Branche wirtschaftlich enorm, aber inzwischen ist klar: Der Corona-Boom ist zu Ende. Im vergangenen Jahr stiegen die Umsätze der Top-Gaming-Unternehmen weltweit nur noch um knapp 5%. Im Vorjahr war noch ein Wachstum von 12,5% erzielt worden, im Pandemie-Jahr 2020 waren die Umsätze sogar um knapp 28% in die Höhe geschnellt.
Auch die Profitabilität hat gelitten: Nachdem im Jahr 2020 noch eine durchschnittliche Marge von 24,9% und 2021 immerhin noch 23,5% erzielt wurden, schrumpfte die Marge im Jahr 2022 auf nur noch 18,1% – und lag damit unter dem Vor-Pandemie-Niveau von 19,7%.
Das sind die Ergebnisse einer neuen Analyse, die zum ersten Mal von EY Parthenon, der Strategieberatung von EY, erstellt worden ist. Für die Studie wurden die Finanzkennzahlen der 26 umsatzstärksten Unternehmen der Computer- und Videospieleindustrie der Welt untersucht.
Die umsatzstärksten Anbieter von Spieleplattformen und Game-Publisher
Die EY-Studie unterteilt zwischen Plattformanbietern und Spiele-Publishern. Bei den Plattformanbietern liegt Sony im Umsatzranking mit über 23,5 Milliarden Euro vor Microsoft (14,8 Milliarden Euro) und Nintendo (12,1 Milliarden Euro). Die grössten Stücke des Gaming-Kuchens sichern sich Publisher aus China, den USA und Japan. Tencent führt mit einem Umsatz der Gaming-Sparte von 41 Milliarden Euro mit grossem Abstand vor dem ebenfalls chinesischen Spieleentwickler NetEase Games (10,5 Milliarden Euro). Hinter den beiden chinesischen Konzernen liegen mit Activision Blizzard (7,1 Milliarden Euro), Electronic Arts (7 Milliarden Euro) und Take-Two Interactive (4,6 Milliarden Euro) drei Publisher aus den USA.
Europäische Unternehmen spielen im weltweiten Vergleich nur eine untergeordnete Rolle: Vom Gesamtumsatz von knapp 151 Milliarden Euro, den die Top-26-Gaming-Unternehmen im vergangenen Jahr erwirtschafteten, entfielen gerade einmal 7,5 Milliarden Euro (5%) auf Unternehmen mit Sitz in Europa.
David Holtmann, Head of Consumer Goods & Retail Strategy Switzerland bei EY Parthenon, sagt: «Gaming ist eine der Industrien, die während und durch die Pandemie einen starken Wachstumsschub erleben durften». Das sich wieder normalisierende Käufer- und Nutzerverhalten widerspiegle sich in den Umsatzzahlen der Unternehmen. «Die Gaming-Unternehmen müssen mit neuen Produkten und Serviceleistungen darauf reagieren und ihre Kosten gleichzeitig durchleuchten.» Holtmann sagt, dass die relativ junge Industrie, sich wie andere nach einer ersten starken Expansionsphase sich konsolidieren muss.
Im Vergleich mit anderen Branchen ist die Profitabilität der führenden Unternehmen aber weiterhin sehr hoch. Das gilt auch für europäische Unternehmen, deren Marge im Ranking im vergangenen Jahr im Durchschnitt bei 21,5% lag. Die Blockbuster-Spiele von Publishern wie CD Project aus Polen und Ubisoft aus Frankreich spielen hohe Summen in die Kassen.
In-Game-Käufe und Mobile Games als Umsatztreiber
Die Gaming-Branche geht aber weit über solche Grossproduktionen hinaus. «Den grossen Teil des Spieleumsatzes erzielen die Hersteller inzwischen mit In-game- und In-app-Käufen, und hier sind auch europäische Unternehmen gut positioniert», sagt Thomas Pyschny, Head of Global Product Lifecycle Management bei EY in der Schweiz. «Zudem wird über die Hälfte des Umsatzes der Gaming-Branche heutzutage mit Mobile Games generiert. Diese Spiele sind auch deshalb sehr lukrativ für die Studios, da die in-game Werbemöglichkeiten für Unternehmen vielfältig sind und die unterschiedlichsten Nutzerinnen und Nutzer erreichen.» Das mache Mobile-Games für werbetreibende Unternehmen und auch für Investoren interessant, so Pyschny.
Dennoch sind auch Mobile Games unter Druck geraten: «Konsumentinnen und Konsumenten haben jüngst für Mobile Games weniger Geld ausgegeben als in den Vorjahren. Neben dem Ende des Corona-Booms gehören die steigende Inflation und das allgemeine makroökonomische Umfeld zu den Gründen dafür», sagt Pyschny. Deshalb sei es wichtig, dass die Entwickler schon in den frühen Phasen einer Spieleentwicklung eine auf das Spiel abgestimmte Monetarisierungsstrategie miteinbeziehen.
Führende Anbieter kaufen kräftig hinzu
Derzeit ist die Gaming-Branche noch eher fragmentiert – neben den für die EY-Studie analysierten Grossunternehmen besetzen zahlreiche kleinere Anbieter teils lukrative Nischen. Der Trend geht aber in Richtung Konsolidierung, Unternehmenszukäufe und -zusammenschlüsse prägen die Branche. So schlägt derzeit eine der teuersten Übernahmen in der Gaming-Geschichte – die beabsichtigte Übernahme von Activision Blizzard durch Microsoft – hohe Wellen. Im Jahr 2022 wurden allein von den Top-26-Unternehmen insgesamt 43 Zukäufe getätigt – das waren zwar weniger als im Vorjahr (60 Transaktionen), aber deutlich mehr als vor der Pandemie: Im Jahr 2019 wurden nur 16 Transaktionen gezählt.
Auf dem Transaktionsmarkt sind Europas Spielestudios sehr aktiv: Fast die Hälfte der in den vergangenen vier Jahren getätigten Transaktionen (45%) gingen von europäischen Unternehmen aus. Als mit Abstand am M&A-freudigsten erwies sich dabei die schwedische Embracer Group mit insgesamt 47 Transaktionen – vor Tencent (19) und Sony (13).
Schwache Kursentwicklung trotz vielversprechender Perspektiven
Bei allen Erfolgsmeldungen und Möglichkeiten, die die Branche bietet, zeigt der Blick auf die Entwicklung im Jahr 2022 aber auch, dass den Investoren nicht immer nach Feiern zumute ist – die Börsenkurse purzeln. 2020 knackten die Top-26-Publisher die Marke von einer Billion Euro an Börsenwert, konnten dies im folgenden Jahr sogar noch leicht auf 1,1 Billionen Euro steigern. 2022 dann aber der Einbruch, im Schnitt fiel die Marktkapitalisierung der Unternehmen um 29% auf 789 Milliarden Euro – und lag damit nur noch leicht über dem Vor-Pandemie-Niveau. Seit Beginn des Jahres 2023 haben sich die Börsenkurse insgesamt wieder etwas erholt.
«Die Gaming Industrie liegt an der Schnittstelle von Tech- und Service-Branche für Endkonsumenten; die makro-ökonomischen Spannungen sind an diesen Unternehmen nicht spurlos vorbeigegangen», sagt Holtmann von EY Parthenon. Trotz aller Spannungen bleibe die Gaming-Industrie aber sehr dynamisch und der Pandemie-Boom habe viel Geld in die Kassen der Unternehmen gespült. «Die Anbieter setzen zudem vermehrt auf Trends wie Abo-Modelle und In-App- beziehungsweise In-Game-Käufe, die sie unabhängiger machen vom Verkauf einzelner Spiele.» Zudem biete der mobile Spielemarkt noch erhebliches Wachstumspotenzial – gerade was neue Käuferschichten angeht, die bislang nicht erreicht wurden. Zudem zeigt sich, dass die Konsumenten vielfältiger werden; waren es vor drei bis vier Jahren mehrheitlich 25- bis 35-jährige Männer, die sich fürs Gaming interessierten, so ist das Durchschnittsalter mittlerweile gestiegen und der Anteil der weiblichen Gamerinnen gestiegen. (EY/mc)