Menlo Park – Der Facebook-Datenskandal um Cambridge Analytica zieht immer weitere Kreise: Die Daten von bis zu 87 Millionen Menschen könnten auf unrechtmässige Weise an die Firma Cambridge Analytica gelangt sein, teilte das Online-Netzwerk am Mittwoch mit. Bislang war Facebook von rund 50 Millionen Betroffenen ausgegangen.
Die weitaus meisten der betroffenen Nutzer stammen demnach aus den USA. In Deutschland sind möglicherweise bis zu 310 000 Facebook-Anwender betroffen. In dem Datenskandal geht es auch um die Frage, welche Rolle die Daten von Cambridge Analytica im US-Wahlkampf des damaligen Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump gespielt haben.
Facebook hatte einräumen müssen, dass Entwickler einer Umfrage-App massenhaft Informationen von Nutzern an die Analysefirma Cambridge Analytica weitergereicht hatte, die unter anderem für das Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump gearbeitet hatte. Dabei geht es nicht nur um die Daten der Umfrage-Teilnehmer selbst, sondern auch um die ihrer Facebook-Freunde. Das erklärt die hohe Zahl der betroffenen Nutzer.
An der Umfrage haben sich nach Facebook-Angaben lediglich 65 Nutzer aus Deutschland beteiligt. Durch einen Schneeballeffekt könnten bis zu 309 815 Facebook-Mitglieder aus Deutschland betroffen sein. Ausgangspunkte sind dabei aber nicht nur die wenigen deutschen Teilnehmer der Umfrage, sondern auch Facebook-Freunde in den USA und anderen Ländern, die wiederum bei der Umfrage mitgemacht hatten.
Betroffene vor allem in den USA
Der Daten-Missbrauch soll den aktualisierten Angaben zufolge vor allem Nutzer in den USA betreffen: Dort sieht Facebook potenziell 70,6 Millionen Betroffene. Auf Platz zwei folgen mit weitem Abstand die Philippinen mit nahezu 1,2 Millionen. In Grossbritannien könnten es fast 1,1 Millionen sein.
Cambridge Analytica betonte, man habe die Facebook-Datensätze nicht im US-Wahlkampf eingesetzt. Die Firma half der Trump-Kampagne unter anderem, gezielt Werbung bei Facebook zu platzieren, die seine Anhänger mobilisieren und die Befürworter der Gegenkandidatin Hillary Clinton entmutigen sollte.
Facebook wusste seit 2015 von dem Datenmissbrauch, gab sich aber mit der Zusicherung der Firma zufrieden, dass die Daten gelöscht worden seien. Weitere rechtliche Schritte wurden nicht eingeleitet. Auch die Nutzer wurden damals nicht über den möglichen Datenmissbrauch informiert, was Facebook inzwischen als Fehler bezeichnet und nachholen will. Facebook-Gründer und -Chef Mark Zuckerberg betonte, dass die Software-Schnittstellen, die einer Umfrage-App einen so breiten Zugriff auf Nutzerdaten überhaupt möglich machten, bereits 2014 dichtgemacht worden seien.
Am Mittwoch schaffte Facebook auch die Möglichkeit ab, nach Nutzer-Profilen über Telefonnummer und E-Mail-Adresse zu suchen. Das Online-Netzwerk glaube, dass über diese Funktion öffentlich zugängliche Informationen der Mehrheit der Nutzer von ausserhalb der Plattform abgesaugt worden seien. Das sind meist Basis-Informationen wie Profilfoto, Wohnort oder Arbeitgeber.
Zuckerberg zeigte sich in einer rund einstündigen Telefonkonferenz mit Journalisten erneut selbstkritisch. Facebook habe nicht genug unternommen, um seine Nutzer zu schützen, bekräftigte er. «Das war unser Fehler, das war mein Fehler.» Zuvor hatte Facebook weitere Einschränkungen für den Zugang von App-Entwicklern zu Nutzerdaten angekündigt. Dazu gehören etwa der Zugang zu Terminen und Informationen über Anrufe auf Smartphones. Für die Mitglieder wird es zudem einfacher, Facebook-Apps zu entfernen.
Zuckerberg wird vor Kongress zitiert
Zuckerberg wird am 11. April zu dem Thema im US-Kongress aussagen. Er räumte am Mittwoch auch ein, es sei falsch gewesen, unmittelbar nach der US-Präsidentenwahl im November 2016 den möglichen Einfluss gefälschter Nachrichten bei Facebook auf den Wahlausgang herunterzuspielen. Er hatte damals erklärt, die Vorstellung sei «verrückt». Jetzt bezeichnete er seine damalige Äusserung als leichtfertig. Zuckerberg betonte zugleich, er glaube auch nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen und Monate, dass er die richtige Person für die Facebook-Spitze sei. Es gehe darum, aus den Fehlern zu lernen, die unweigerlich passierten.
Die Kritik im Datenskandal und die Aufrufe, Facebook nicht mehr zu nutzen, hätten die Nutzung des Online-Netzwerks kaum gebremst, sagte Zuckerberg. «Ich glaube nicht, dass es einen bedeutenden Effekt gab.» (awp/mc/ps)