Zürich – Trotz der weit verbreiteten Skepsis gegenüber Afrika sieht Nick Price keine Veranlassung, seinen guten Ausblick für den Kontinent zu revidieren. Die negative Wahrnehmung deckt sich nicht mit seinen Erfahrungen vor Ort. Für ihn ist Afrika ein typisches Beispiel für die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit, aus der gute Anlagechancen erwachsen.
Zu den wenig beachteten Aspekten der Finanzkrise gehört Afrikas erstaunliche Widerstandskraft gegenüber dem weltweiten Konjunkturabschwung. Während der letzten Jahre hat die Region südlich der Sahara ein Wirtschaftswachstum jenseits der Wachstumsraten in den entwickelten Volkswirtschaften erzielt. Hilfreich war dabei möglicherweise die eher mangelnde Einbindung in die Weltwirtschaft und damit eine deutlich geringere Abhängigkeit vom Export wie beispielsweise in Asien. Genauso wichtig aber waren die starken wirtschaftlichen Fundamentaldaten vieler afrikanischer Länder wie geringe Staatsverschuldung und deutlich weniger Preisauftrieb. So sind sechs der zehn wachstumsstärksten Volkswirtschaften in den Jahren 2001 bis 2010 auf dem afrikanischen Kontinent zu finden.
Gigantische Schattenwirtschaft
Ein Grossteil der wirtschaftlichen Leistung Afrikas schlägt sich derzeit in keiner Statistik nieder. Das wird deutlich an den stets bar bezahlten Dienstleistungen an den unzähligen Taxiständen, in illegalen Bars (so genannte Shebeens) und zahllosen Friseursalons in Afrika. Von der Selbstversorgerlandwirtschaft ganz zu schweigen! Denn immer noch macht die Landwirtschaft rund ein Viertel der Wirtschaftsleistung Afrikas aus. Diese Schattenwirtschaft ist der Grund für das unlängst in Ghana um sage und schreibe 70% nach oben korrigierte BIP-Wachstum in 2010! Auf die Kreditwürdigkeit des Landes wirkt sich das äusserst positiv aus, denn Kennzahlen wie das Verhältnis von Staatsverschuldung zu BIP erscheinen so in deutlich positiverem Licht – was wiederum Auswirkungen auf die Finanzierungskosten eines Landes hat.
Der in weiten Teilen Afrikas vorherrschende Barzahlungsverkehr hat erheblichen Einfluss auf die Einschätzung der realen Nachfrage in der Region. Als die Kreditkrise den Westen erschütterte, stellten wir erschreckt fest, dass ein Teil der vermeintlichen Nachfrage auf Sand gebaut war. So brach der Autoabsatz in den USA von 17 Millionen Pkw auf 10 Millionen ein, denn einen Grossteil der zuvor erworbenen Autos hatten Amerikaner mit Krediten gekauft, die sie wegen ihrer zweifelhaften Bonität nie hätten bekommen dürfen. In Afrika halten Angaben zur Nachfrage einer kritischen Prüfung besser Stand, da Verbraucherkredite hier praktisch unbekannt sind. Im Konsumpotenzial Afrikas spiegelt sich zudem der rasante Anstieg der Einkommen wider. Laut UN-Angaben ist das Pro-Kopf-BIP in der Region als Ganzes von weniger als 700 US-Dollar im Jahr 2002 auf über 1’500 US-Dollar im Jahr 2008 gestiegen. Bis 2013 wird eine weitere Verdopplung für möglich gehalten.
Die Entwicklung des Mobilfunkmarktes hatte auf die wirtschaftliche Wachstum Afrikas einen grossen Einfluss. Noch vor 10 Jahren waren in Nigeria mit seinen 150 Millionen Einwohnern nur 450’000 Festnetzanschlüsse registriert waren. Heute gibt es fast 70 Millionen Handynutzer. Der Produktivität hat das enormen Schub verliehen, was sich wiederum in einem positiven BIP-Trend niederschlägt. Diese Positivspirale untermauert die Chancen, die sich im Verbrauch in Afrika auftun. So wird davon ausgegangen, dass die gesamten Einnahmen aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen die Erlöse aus dem Rohstoffsektor in den nächsten zehn Jahren um fast das Dreifache übersteigen werden. Die Achillesferse der Industrieländer ist ihre demografische Entwicklung. So ist für das schleppende Wirtschaftswachstum in Japan vor allem die alternde und inzwischen schrumpfende Bevölkerung verantwortlich. Auch in Europa gibt der demografische Trend zunehmend Grund zur Sorge. Ganz anders sieht Afrikas Bevölkerungsstruktur aus: Rund die Hälfte der ca. 1 Milliarde Menschen ist dort aktuell im erwerbsfähigen Alter. Afrikas Erwerbsbevölkerung wird sich Erwartungen zufolge bis 2040 verdoppeln. Die mit der Überalterung im Westen einhergehenden Sorgen sind noch auf Jahre hinaus kein Problem für Afrika.
„Kolonialisierung“ Afrikas durch die Chinesen
Westliche Unternehmen investieren nur zögerlich in Afrika – doch es mehren sich die Anzeichen, dass weltweit operierende Konsumgüterfirmen langsam das Potenzial des afrikanischen Marktes erkennen. Für reichlich Schlagzeilen sorgt unterdessen die „Kolonialisierung“ Afrikas durch die Chinesen. Die aber sieht Nick Price aus zahlreichen Gründen durchaus positiv. Erstens haben Pekings Investitionen zu deutlich mehr Effizienz in der Wirtschaft geführt, angefangen von den Häfen in Nigeria bis hin zur Sanierung der alten „Luanda“-Eisenbahnstrecke. Zweitens erhöht Peking mit seinen Investitionen den Wettbewerbsdruck in der Region – zum Vorteil aller. Und drittens schaffen die Investitionen viele Arbeitsplätze. Afrika ist reich an Bodenschätzen, die Investitionen ins Land holen, den Handel antreiben und die Wirtschaft wachsen lassen. Das grössere Potenzial sieht Nick Price jedoch im Binnenverbrauch. In weiten Teilen der riesigen Bevölkerung wächst der Wohlstand, und angesichts der niedrigen Verschuldung ist das Wachstumspotenzial im Konsum enorm. Andere, etabliertere Schwellenländer, haben in letzter Zeit alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Nick Price meint jedoch, die Zeit sei reif, die Vorstellung von Afrika zu überdenken und ihm die positive Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die ihm gebührt. (Fidelity/mc/hfu)
Nick Price
ist Fondsmanager des Fidelity Funds – Emerging Europe, Middle East & Africa (EMEA) Fund. Er kam 1998 als Research-Analyst zu Fidelity. In den ersten sechs Jahren bei Fidelity war er für die Bereiche Chemie, Lebensmittelherstellung, Tabak und Telekommunikation zuständig, bevor er 2004 zum stellvertretenden Portfoliomanager ernannt wurde. Seit Juni 2007 managt er den FF EMEA Fund. Nick Price verfügt über einen Bachelor-Abschluss in Commerce & Accounting der Universität von Natal und ist Mitglied des South African Institute of Chartered Accountants. Zudem hat er das Examen zum Certified Financial Analyst erfolgreich abgelegt.
Fidelity International
wurde 1969 gegründet und ist den wichtigsten Finanzzentren ausserhalb der USA tätig. Fidelity verwaltet Vermögenswerte in Höhe von über USD 246 Milliarden (Stand 30.12.2010) für private und institutionelle Investoren auf der ganzen Welt und hat Investmentaktivitäten in London, Tokyo, Hong Kong oder Singapore. Ein Markenzeichen der Anlagephilosophie ist das Bekenntnis zu fundamentalem Research und dem bottom up-Ansatz bei der Auswahl der Aktien, in welche wir investieren. In der Schweiz ist Fidelity seit 1996 mit Büros in Zürich und Genf vertreten.