Chicago – Gute Geschäfte mit Passagierjets haben dem weltgrössten Flugzeugbauer Boeing im zweiten Quartal einen kräftigen Gewinnsprung beschert. Teuer zu stehen kommen den US-Konzern jedoch die neuen Tankflugzeuge für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten. Nach immensen Belastungen in den Vorjahren musste Boeing für den Flieger im zweiten Quartal weitere Mehrkosten von 418 Millionen Dollar verbuchen, wie der Luftfahrt- und Rüstungskonzern am Mittwoch in Chicago mitteilte.
Als die USA Anfang des Jahrzehnts 179 Tankflugzeuge bestellen wollten, galt dies in der Branche als Jahrhundertauftrag. Nach mehrfachem Hin und Her jagte Boeing das Geschäft in einer umstrittenen dritten Ausschreibungsrunde seinem europäischen Rivalen Airbus (damals EADS) ab. Schon damals bezweifelten Kenner, dass der US-Konzern mit dem Projekt zu dem angebotenen Preis jemals Geld verdienen würde.
Erst-Auslieferung im Oktober 2018
Zudem dauerte die Entwicklung des Fliegers – wie bei solchen Projekten üblich – länger und wurde teurer als veranschlagt. Sollten die ersten 18 Maschinen vom Typ KC-46 eigentlich bis August 2017 ausgeliefert werden, hofft Boeing-Chef Dennis Muilenburg jetzt nach Abschluss der letzten Flugtests, dass er das erste Flugzeug im Oktober 2018 an die US-Luftwaffe übergeben kann.
Geschäft mit Passagierjets floriert
Im zweiten Quartal sorgte aber das brummende Geschäft mit Verkehrsflugzeugen dafür, dass der Gewinn des Konzerns weiter wuchs. Unter dem Strich verdiente der US-Konzern rund 2,2 Milliarden Dollar (1,9 Mrd Euro) und damit 26 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Das entsprach ziemlich genau den Erwartungen von Analysten.
Dass der Umsatz um fünf Prozent auf knapp 24,3 Milliarden Dollar stieg, verdankte Boeing vor allem seinem Rüstungs-, Raumfahrt- und Servicegeschäft. In der grössten Sparte, die Passagier- und Frachtjets für Fluggesellschaften in aller Welt baut, wuchsen die Erlöse zwar nur um ein Prozent. Beim operativen Gewinn stand hier aber ein Zuwachs um 28 Prozent zu Buche – und das, obwohl die Sparte den Grossteil der Mehrkosten für das Tankflugzeug zu schultern hatte, das auf dem Passagier- und Frachtjet Boeing 767 basiert.
Umsatzprognose angehoben
Für das Gesamtjahr hob Boeing die Umsatzprognose für den Konzern um eine Milliarde auf 97 bis 99 Milliarden Dollar an. Für den Gewinn je Aktie hatte der Konzern die Latte bereits im April auf 16,40 bis 16,60 Dollar nach oben gelegt – und hält an diesem Ziel weiterhin fest. Dazu will Boeing zwischen 810 und 815 Passagier- und Frachtflugzeuge ausliefern und so seine Rolle als weltgrösster Flugzeughersteller vor Airbus behaupten.
Aufträge im Umfang von 27 Mrd Dollar eingesammelt
Guter Dinge zeigte sich Muilenburg angesichts der Auftragslage. Allein im zweiten Quartal habe der Konzern Aufträge im Wert von rund 27 Milliarden Dollar verbucht. Zudem sammelte Boeing auf der Luftfahrtmesse in Farnborough vergangene Woche neue Bestellungen und Vorverträge für mehr als 500 Passagier- und Frachtjets ein. Wie bei Airbus sind vor allem die Mittelstreckenjets bei den Fluggesellschaften stark gefragt. Beide Hersteller wollen ihre Produktion daher ausbauen, doch Zulieferer wie die Triebwerksbauer stossen an ihre Grenzen.
Unterdessen sortiert sich die Branche neu. Die beiden grossen Hersteller kaufen bei den kleineren zu – und erweitern ihre Produktpalette auf diese Weise um kleinere Flugzeugtypen. Gerade hat Airbus von dem angeschlagenen kanadischen Bombardier-Konzern die Mehrheit an dessen neuem Mittelstreckenjet-Modell C-Serie übernommen. Der Flieger wird jetzt als Airbus A220 vermarktet. Und Boeing will dem brasilianischen Luftfahrtkonzern Embraer die Mehrheit an dessen Verkehrsflugzeugsparte abkaufen. Im Grundsatz sind sich die US-Amerikaner mit den Brasilianern einig, der Deal soll bis Ende 2019 vollzogen sein. (awp/mc/pg)