Paris – Nach monatelangem politischem Streit will Frankreichs neuer Premierminister Michel Barnier das Land mit Dialog, Kompromissen und einem harten Sparkurs aus der Krise führen. «Wir befinden uns gemeinsam auf einer Gratwanderung», sagte der Konservative Barnier bei seiner mit Spannung erwarteten Regierungserklärung in der Nationalversammlung in Paris. Man müsse mit wenig viel erreichen.
An die Adresse der Abgeordneten sagte er: «Lasst uns angesichts der Dringlichkeit der Situation und für die Zukunft gemeinsame Wege suchen, lasst uns Kompromisse finden.» Die Parlamentskammer sei so gespalten wie seit 1958 nicht mehr, aber: «Stillstand werden die Franzosen uns nicht verzeihen.» Zwischen der Regierung und dem Parlament brauche es Respekt und Dialog.
Barnier will Haushaltsdefizit bis 2029 unter Grenzwert bringen
Schon zu Beginn seiner Rede machte der ehemalige EU-Kommissar Barnier klar, dass er seinem Land einen Sparkurs auferlegen will. Im laufenden Jahr werde ein Defizit von sechs Prozent erwartet, im kommenden Jahr solle dies auf fünf Prozent gesenkt werden. 2029 solle das Haushaltsdefizit wieder unter den europäischen Grenzwert von drei Prozent gebracht werden. Dies ist zwar zwei Jahre später als zuletzt von Frankreich geplant, jedoch schien der ursprüngliche Sparkurs nicht mehr zu halten.
Wegen einer zu hohen Neuverschuldung betreibt die EU-Kommission im Moment bereits ein Defizitverfahren gegen Frankreich. Bis Ende Oktober muss Frankreich Brüssel einen Plan vorlegen, wie es seine Finanzen wieder in den Griff bekommen will. Unter Zeitdruck muss die Regierung zuvor noch einen Haushalt für das kommende Jahr auf die Beine stellen.
Auf grosse Unternehmen mit hohen Gewinnen und besonders wohlhabende Bürger sollten Steuererhöhungen zukommen, sagte Barnier. Es gehe um «einen aussergewöhnlichen Beitrag für die reichsten Franzosen». Konkret wurde er dabei nicht. Barnier kündigte zudem Einsparungen bei öffentlichen Ausgaben und mehr Effizienz an.
Barnier lässt sich nicht aus der Ruhe bringen
Als Prioritäten seiner Regierung sieht der neue Premier einen besseren Zugang zu öffentlichen Diensten, einen höheren Lebensstandard für die Menschen in Frankreich, mehr Sicherheit, eine härtere Migrationspolitik und einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Ökologie solle im Herzen des Regierungshandelns stehen und ein Motor der Industriepolitik sein. Neben Erneuerbaren wolle man die Entwicklung der Atomenergie entschieden weiter vorantreiben und auch neue Reaktoren bauen. An den Kontrollen an seinen Binnengrenzen wolle Frankreich festhalten.
Barnier war von Präsident Emmanuel Macron vor knapp einem Monat zum neuen Regierungschef ernannt worden und stellte gemeinsam mit Macrons Lager eine Mitte-Rechts-Regierung auf die Beine. Eine eigene Mehrheit hat diese in der Nationalversammlung nicht, sie ist auf die Duldung aus dem linken Lager oder der Rechtspopulisten um Marine Le Pen angewiesen.
Aus den Reihen der Linken, die gemeinsam mit Sozialisten, Grünen und Kommunisten bei der Parlamentswahl im Juli auf Platz eins gelandet waren, die absolute Mehrheit aber um etwa 100 Sitze verfehlten, kamen bereits in den ersten Minuten der Regierungserklärung Zwischenrufe. Der mehrfache Minister und langjährige Politiker Barnier wirkte in seiner fast anderthalbstündigen Rede ruhig und gefasst und liess sich von den immer wiederkehrenden Einrufen nicht abbringen.
Die Fraktionsvorsitzende der linken La France Insoumise, Mathilde Panot, bezeichnete das Kabinett Barnier als «schlimmste Regierung von Reaktionären». Le Pen machte deutlich, dass ihre Fraktion die Regierung nur unter bestimmten Voraussetzungen dulden werde und zählte rote Linien wie höhere Steuerbelastungen für die Allgemeinbevölkerung auf, bei denen man der Regierung das Vertrauen entziehen könne. (awp/mc/pg)