Frankreichs neuer Staatschef muss liefern

Frankreichs neuer Staatschef muss liefern
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron.

Paris – Nach seinem Triumph über die Rechtspopulistin Marine Le Pen muss Frankreichs künftiger Präsident Emmanuel Macron rasch die Weichen für eine handlungsfähige Regierung stellen. Angesichts der Parlamentswahlen in gut einem Monat steigt der Druck auf den Mitte-Links-Politiker, die tiefe Spaltung des Landes zu überwinden und einen überzeugenden Premierminister zu präsentieren. Allerdings gab es am Montag in Paris nur Spekulationen, wen Macron zum neuen Regierungschef küren könnte.

Der jüngste Präsident aller Zeiten will am kommenden Sonntag das Amt vom Sozialisten François Hollande übernehmen. Kurz danach muss die neue Regierung stehen. In der direkten Umgebung Macrons hiess es laut der Zeitung «Le Monde», die Frage des neuen Premiers sei ein «Tabuthema».

«Jetzt steht der schwierigste Teil an»
Der frühere konservative Präsident Nicolas Sarkozy sagte zu Macrons Wahl: «Wenn man sein Land liebt, kann man ihm nur das Beste wünschen. Ich weiss aus Erfahrung, dass jetzt der wirklich schwierige Teil ansteht.»

Mit Spannung wird in den europäischen Hauptstädten erwartet, welchen neuen Kurs die Atommacht Frankreich in der Aussenpolitik unter Macron steuern wird. Dabei geht es auch darum, wie der 39-Jährige die durch den Brexit angeschlagene Europäische Union umbauen will. Macron will kurz nach seiner Amtsübernahme als erstes nach Berlin fliegen, um Kanzlerin Angela Merkel zu treffen. Merkel hatte am Sonntagabend mit Macron telefoniert und ihm eine enge Kooperation zugesichert.

Erleichterung über Macrons Sieg
Macron hatte nach seinem Erfolg vom Sonntag versucht, den Franzosen neues Selbstbewusstsein einzuimpfen. «Ich werde mit allen Kräften gegen die Spaltung kämpfen, die uns zermürbt und entmutigt», kündigte der Mitte-Links-Politiker nach seiner Wahl an. Er hatte das Finale der Präsidentenwahl mit gut 66 Prozent gegen Le Pen gewonnen.

Der Sieg des Pro-Europäers und die Schlappe Le Pens wurden international grösstenteils mit Erleichterung aufgenommen. Auch die EU-Spitze zeigte sich erfreut. Denn die Front-National-Anführerin Le Pen wollte den Euro als normales Zahlungsmittel abschaffen und die Franzosen über die EU-Mitgliedschaft abstimmen lassen.

Macron kritisch gegenüber Russland
Der russische Staatschef Wladimir Putin rief Macron zur Überwindung von gegenseitigem Misstrauen auf. Nur so seien international Stabilität und Sicherheit zu erreichen, schrieb Putin in einem Glückwunschtelegramm. Im Wahlkampf hatte Moskau Sympathien für Le Pen erkennen lassen, Putin hatte sie noch im März empfangen. Macrons Einstellung zu Russland gilt als äusserst kritisch. Seine Bewegung «En Marche!» hatte Russland vorgehalten, sich über Medien wie RT in den Wahlkampf einzumischen.

«En Marche» fehlt ein Parteiapparat
Innenpolitisch muss der linksliberale Senkrechtstarter nun in den nächsten Wochen bis zur Parlamentswahl ein Kunststück gelingen: Er muss erste Erfolge in der Regierungsarbeit vorweisen und die erst vor einem Jahr gegründete Bewegung «En Marche!» (In Bewegung) am 11. und 18. Juni zum Wahlsieg führen.

Das Problem: «En Marche!» fehlt nach so kurzer Zeit noch ein grosser Parteiapparat, es müssen neue Kandidaten aufgestellt werden. Macron braucht eine Mehrheit in der Nationalversammlung, um seine Politik durchsetzen zu können. Nach einer Umfrage des Instituts OpiononWay von Anfang Mai kann sich Macron Hoffnung auf einen Erfolg machen.

Konservativer könnte Premier werden
Macron wollte noch am Montag den Vorsitz von «En Marche!» niederlegen. In französischen Medien wurde spekuliert, welche Strategie er bei der Kür des Nachfolgers von Premier Bernard Cazeneuve anwenden wird. Macron hatte vor der Wahl angekündigt, dass ein guter Teil der Regierungsmitglieder nicht aus der Politik kommen soll. Womöglich werden Vertreter anderer Parteien ernannt.

Es gilt als eine Variante, dass der künftige Präsident einen Konservativen zum Regierungschef macht. Als ein Kandidat wird Xavier Bertrand gehandelt. Der Präsident der Region Hauts-de-France im Norden Frankreichs forderte Macron auf, «die Wut und die Unsicherheit des französischen Volkes» nicht zu vergessen.

Macron an der Seite von Hollande
Möglich wäre aber auch, dass es ein Sozialist wird, etwa der bisherige Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, der Macron schon im ersten Wahlgang unterstützte und der als dessen Vertrauter gilt. Oder es wird der bisher eher unbekannte «En-Marche!»-Generalsekretär Richard Ferrand.

Am Montagvormittag nahm Macron an der Seite Hollandes an der traditionellen Gedenkzeremonie zum Sieg über Nazi-Deutschland teil. Am Abend wurde Hollande zu seinem Abschiedsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin erwartet.

Macron kommt auf 66,1%
Nach Auszählung aller Stimmen gewann Macron die Wahl mit 66,1 Prozent. Le Pen kam auf 33,9 Prozent, wie das französische Innenministerium bekanntgab. Macron erhielt rund 20,8 Millionen Stimmen, fast doppelt so viele wie Le Pen (10,6 Millionen). Die Wahlbeteiligung lag bei rund 74,6 Prozent.

Mehr als vier Millionen Franzosen gaben Wahlumschläge ohne einen Stimmzettel für einen der beiden Kandidaten oder ungültige Stimmen ab. Die Zahlen sind noch vorläufig: Das offizielle Endergebnis wird erst in den kommenden Tagen nach Prüfung eventueller Beschwerden vom Verfassungsrat verkündet. (awp/mc/pg)

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